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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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schwer atmend und von der Panik noch getrieben, unfähig aufzustehen oder zu sprechen. Irgendwann drehte Brynja ihren Kopf zur Seite, dass er auf Sigfinns Schoß zu liegen kam. Sie hob die Hände, die immer noch das Amulett hielten, um es sich anzusehen. Dabei erkannte sie, dass die Zähne im Maul des goldenen Drachen sich so tief in ihr Fleisch gebohrt hatten, dass ihr Blut über das edle Metall lief. Sie musste es fast herauszerren. Es war an der dünnsten Stelle, zwischen dem Kopf und dem Leib des Drachen, verbogen.
    »Der Drache hat mein Leben gerettet«, flüsterte sie heiser.
    In diesem Moment fiel aller Unglaube von Sigfinn ab, und er erachtete die Worte seiner Mutter als weise, dass dem Erbe des Blutes ein Zauber anhing. So sehr der Verstand sich auch wehrte - es war nicht zu bestreiten, dass Brynja ohne das Amulett in den Tod gestürzt wäre. Und er vielleicht mit ihr. War es da nicht töricht, nach dem Ursprung der Macht zu fragen, nach ihren Göttern?
    Er nahm das Amulett und drückte es mit der ihm verbliebenen Kraft gegen einen Stein - doch nicht, um es geradezubiegen, sondern um es endgültig zu brechen. Den Kopf des Drachen behielt er an seiner Kette, den Leib gab er Brynja zurück. »Dann soll er es auch weiterhin tun.«
    Sie sah ihn an mit einem Ernst, den er bisher in ihren Augen noch nie gesehen hatte. Für einen Moment schien sie ihm ihren Kopf entgegenzustrecken, als wollte sie ihn … küssen? Doch sie rappelte sich nur auf und klopfte sich den Schmutz von den Kleidern. »Wir sollten zur Burg zurückkehren. Mir ist nicht mehr nach einem Ausflug.«

    »Was sagen wir meinen Eltern?«, fragte er vorsichtig.
    »Dass mein Pferd davongelaufen ist, nichts weiter«, beschied ihn die Prinzessin. »Ich möchte nicht, dass sie sich meinetwegen Sorgen machen.«
    Sie stand auf. Sigfinn wäre gerne noch länger mit ihr sitzen geblieben, hätte ihren Körper gerne weiter an seinem gespürt. Aber der Moment des Zaubers zwischen ihnen war vorbei. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass Brynja sich auf dem Ritt zurück zur Burg, bei dem sie mit auf seinem Pferd saß, fester an ihn drückte, als es notwendig war.
    Der Drang, sich Brynja zu erklären, ihr seine verworrenen Gefühle zu gestehen, wurde immer unbändiger in ihm. Sigfinn war nicht sicher, seine Worte noch lange zurückhalten zu können, so wenig wie seine Hände oder seine Lenden. Brynja hatte den leise plätschernden Bach seiner Leidenschaften in einen reißenden Strom verwandelt.
    Er würde es ihr sagen müssen.
    Morgen.
    Morgen war sicher der richtige Tag dafür.
     
    In eben dieser Nacht geschah, was die Nibelungen mit den alten Göttern ausgehandelt hatten. Ein Sturm kam über die Welt, der den Himmel schwarz machte und das Wasser wild. Die Flüsse drehten sich und drängten zurück zur Quelle. Wo goldener Weizen auf dem Feld stand, krochen Moder und Fäulnis in den Boden. Vieh brüllte, aber trotz des Windes blieben die Blätter an den Bäumen seltsam ruhig.
    Die unsichtbaren Mauern, die die Nibelungen in ihrem Wald gefangen hielten, fielen, und auch zu Utgard, der Unterwelt, wurde die Erdenscheibe brüchig. Horden von schrecklichen Wesen fielen über den Kontinent her, wütend
und gierig, ohne Seele oder Verstand. Ein hoher Ton, fast wie ein Wehklagen, war überall zu hören, wenn man nur die Ohren spitzte. Vom Eis im Norden zu den Wüsten im Süden, von den Steppen im Osten bis zum Ende der Meere im Westen - es zerrte an der Welt, an ihren Zahnrädern, an ihrem unveränderlichen Lauf.
    Nichts würde mehr sein, wie es war und wie es hatte sein sollen. Nicht ihre Niederlage rächen würden die Nibelungen, sondern sie ungeschehen machen. Sie griffen weiter in die Geschichte, als es jemals erlaubt worden war, und mit der Billigung der Götter drehten sie den Strom der Zeit.
    Sie fanden die rechte Gabelung im Weg des Schicksals, weit zurück, und lenkten die Schritte der Menschen nach ihrem Willen. Nein, eigentlich nur die Schritte eines Menschen. Aus seiner Tat waren Hunderte geworden, aus Hunderten Legenden, und wie ein kleiner Stein am Hang die größeren mitreißt, brauchte es nur wenig, alles zu verändern.
    Es war der Plan der Nibelungen. Er war groß und bösartig, doch in seiner Einfachheit genial und zwingend. Vielleicht würde mit dem Morgen nichts mehr sein, wie es war - aber es würde sein, wie es im Sinne der Nibelungen immer hätte sein sollen. Und niemand, niemand würde jemals davon wissen …
     
    Sigfinn erwachte müde aus traumlosem

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