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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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auf die Füße. »Was ist geschehen?«
    »Wenn ich das wüsste«, antwortete Sigfinn. »Es ist, als hätte die Nacht keinen neuen Morgen, sondern eine neue Welt gebracht. Eine tote Welt.«
     
    Noch einmal ging Sigfinn durch die modrig riechende Burg, sah verwittertes Holz und zerbrochenes Glas. Diesmal hatte er Brynja an seiner Seite, und sie suchten nicht mehr nach Menschen, sondern nach Hinweisen auf das, was geschehen war.
    Im Thronsaal deutete der Prinz auf den umgeworfenen Langtisch. »Es ist nicht der Tisch meines Vaters - die Bohlen sind nur grob gezimmert und wenig verziert.«
    Brynja deutete nach oben, an die Decke. Dort hing das faulende Banner Islands, doch statt der zwölf eingestickten Kronen, die für die zwölf bisherigen Könige standen, waren nur zehn zu sehen. Sigfinn bemerkte es grimmig. »Und die Fahne unseres christlichen Glaubens fehlt ganz.«

    »Kein christliches Zeichen mehr«, murmelte Brynja, nahm Sigfinn bei der Hand und zog ihn davon. Sie wollte zur Kapelle, um ihre Ahnung bestätigt zu finden. Und tatsächlich war der geweihte Ort der Königsfamilie nicht mehr als ein Abstellraum, bis unter die Decke angefüllt mit Tand und Gerümpel.
    Es ging auf die Mittagszeit zu, soweit das trübe Licht diese Einschätzung zuließ, und beide verspürten einen Hunger, der in der Burg nicht zu stillen war. So traten sie aus der Burg Isenstein und gingen die wenigen Schritte zum Hafen. Sie waren wenig überrascht, auch hier keine Menschenseele zu erblicken. Brynja warf einen Blick in die kleinen Hütten, deren Dächer und Wände teilweise eingestürzt waren. Sigfinn schaute sich die Boote an, die seit Ewigkeiten von keiner Hand mehr gepflegt worden waren.
    Plötzlich knirschte Stein auf Stein, ganz in der Nähe!
    Instinktiv drängten sich Brynja und Sigfinn aneinander. Der Prinz ärgerte sich wieder, kein Schwert dabeizuhaben, wollte seine Begleiterin aber auch nicht um ihres bitten.
    »Sag mir, dass nicht nur ich das gehört habe«, knurrte Sigfinn.
    Brynjas Schwertarm war sichtlich angespannt. »Wir sind nicht allein - auch wenn ich in diesem Augenblick nicht weiß, ob mir das gefällt.«
    Wieder waren klappernde, zögernde Schritte zu hören.
    Es war ein Dryk, schulterhoch und deutlich abgemagert, das hinter einer Hütte hervorlugte.
    Sigfinn beruhigte sich ein wenig. »Seltsam - die Tiere trauen sich gewöhnlich nicht in die Nähe unserer Siedlungen. Sie haben Angst vor Menschen.«

    Brynja runzelte die Stirn. »Wer weiß, wie lange diese Siedlung keine Menschen mehr gesehen hat.«
    Der Prinz ging vorsichtig einige Schritte auf das Dryk zu. Es bewegte sich nicht, lief nicht davon.
    »Was hast du vor?«, wollte Brynja wissen.
    Kaum eine Stunde später saßen sie vor einem Lagerfeuer direkt am Wasser und rissen sich Bratenstücke von der Keule, die über einem kleinen Feuer röstete. Wasser, um den Durst zu löschen, hatten sie an einer der vielen Quellen gefunden. Aber selbst frisch aus dem Boden schmeckte es schal und brackig.
    »Wir sollten versuchen, zum Festland zu kommen«, sagte Brynja kauend. »Es kann ja nicht die ganze Welt entvölkert sein.«
    »Warum nicht?«, hielt Sigfinn dagegen. »Gestern hätte ich noch geschworen, dass sich auch die Burg nicht von heute auf morgen leeren würde. Was hier geschieht, ist nicht erklärlich.«
    Es dauerte ein paar Augenblicke, bis er verstand, warum die Antwort Brynja so sehr traf, dass er es sehen konnte. Hastig setzte er hinzu: »Ich sage nicht, dass auch deine Eltern … ich meine, das Reich deines Vaters …«
    »Schon gut«, winkte sie ab. »Wir werden es sehen.« Es war offensichtlich, dass sie sich keine Blöße geben wollte, und in ihrer erwachsenen Nüchternheit fand Sigfinn die junge Frau nicht mehr, nach der er sich so verzehrt hatte. »Ich glaube, dass ich eines der Boote so weit seetüchtig machen kann, dass es uns zum Festland bringt - wenn das Wetter uns nicht missgünstig gestimmt ist. Aber vorher muss ich noch nach Görand.«
    Brynja sah ihn erstaunt an. »Warum nach Görand?«
    »Es ist die größte Siedlung Islands. Wenn es Menschen
gibt, dann dort. Es ist meine Pflicht, wenigstens nach ihnen zu suchen. Ich bin immer noch der Prinz und in Abwesenheit meiner Eltern der Herrscher.«
    »Ich habe keine Pferde gesehen«, gab Brynja zu bedenken. »Wir müssten zu Fuß gehen.«
    Sigfinn nickte. »Dann ist es so.«
    Er hatte nicht viel Hoffnung, aber er fühlte die Verantwortung. Und überhaupt - hatte er nicht Brynja getroffen, als er kaum

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