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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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allein regierten.
    Feige schwiegen die Nibelungen eine Weile. Aus dem Jubel über den großen Sieg wurde Verwirrung, und sie hassten Verwirrung. Hatten sie nicht über Jahre verhandelt, um die Verwirrung endlich zu beenden?
    Die erste Stimme unter vielen traute sich endlich, es auszusprechen: Ooodiiin …
    Eine weitere Stimme fiel ein: Ooodiin …
    Bald riefen sie es alle, mit tausend Stimmen, die doch nur eine war: Ooodiiin …
     
    Wieder stand die Seherin auf der Spitze an der Öffnung des Felsenrings. Sie war froh, blind zu sein und nicht zu sehen, was sie wusste - dass Island ein Totenreich war. Ihre leeren Augen vergossen Tränen für die Heimat.
    Doch es war nicht alles verloren. So, wie sie es erhofft hatte, war es gekommen: Sigfinn von Island hatte sich in die neue Zeit gerettet, mit dem Wissen um das, was richtig war. Dass Brynja an seiner Seite war, auch sie gewappnet gegen die Lüge der Nibelungen, war … unerwartet. Das Amulett hatte nur den Prinzen schützen sollen.
    Den Stock hatte die Seherin mittlerweile weggeworfen. Sie fühlte neues Leben in ihrem alten Körper. Natürlich würde sie nie wieder die frühere Kraft besitzen, als sie selbst die stärksten Krieger bezwang - aber das war auch nicht nötig. Sie hatte ihre Zeit gehabt, und diese Zeit war vorbei. Nun war es an Sigfinn - und Brynja.
    Sie hatte beobachtet, wie schnell die beiden sich in der veränderten Welt zurechtgefunden hatten, wie Brynja in
der Burg das wenige Brauchbare zusammengetragen hatte, um Sigfinn die Zeit zu geben, eines der kleinen Boote zu reparieren. Er hatte einen Rumpf gefunden, der vor langer Zeit an Land gezogen worden und vom Salzwasser nicht zerfressen war. Von einem halb versunkenen Schiff holte er ein raues Segel, dessen Löcher Brynja mit Stoff aus der Burg flickte. Das tote Dryk gab ihnen genug Fleisch für diese Tage - einseitig, aber nahrhaft. Sie besaßen jene Entschlossenheit, die die Nibelungen der Welt hatten austreiben wollen. Sie unterwarfen sich nicht.
    Die Seherin bemerkte auch, wie Sigfinn Brynja ansah, wenn sie schlief. Wie er seine Hand nach ihr ausstreckte, nur um sie dann doch wieder zurückzuziehen.
    Leidenschaft. Auch etwas, das die Nibelungen hatten ausrotten wollen. Die Seherin konnte sich noch gut an das Gefühl erinnern, so schmerzhaft und doch so warm und glückselig.
    So stand sie auf dem Fels und wartete, bis Sigfinn und Brynja das Boot über hölzerne Planken ins Wasser schoben und schon dankbar waren, dass es nicht gleich versank.
    Es war der Moment, in dem die Nibelungen auftauchten. Sie hatten bemerkt, dass etwas nicht so war, wie sie es sich vorgestellt hatten. Geschnüffelt hatten sie auf der ganzen Erde, wie Schweine auf der Suche nach Trüffeln. Bis sie den für sie ekligen Geruch von Freundschaft und Ehre entdeckt hatten, hier auf Island. Es lag nicht in ihrer Macht, die beiden Königskinder direkt anzugreifen, aber es würden sich Wege finden …
    Die Seherin sprach mit lauter, klarer Stimme: »Ihr könnt euch mühen, wie ihr wollt, aber ihr werdet die beiden nicht brechen. Es wird nicht anders sein, als es immer war, und es wird in eurer Niederlage enden.«

4
    Der Weg in die neue Welt

    Die Überfahrt nach Fjällhaven dauerte lange, länger als üblich. Es ging kaum ein Wind, was gerade in diesem Teil der Welt mehr als ungewöhnlich war. Oft hing das Segel den ganzen Tag schlaff, und auch die leichte Brise in der Nacht schob das Schiff kaum voran. Es schlug den beiden Reisenden schwer aufs Gemüt. Während Sigfinn immer wieder auf Deck hin und her lief wie ein Tier im Käfig, verbrachte Brynja Stunden damit, zum Horizont zu blicken, als hielte er Antworten für sie bereit. Sie waren einander Gesellschaft, aber kaum Trost.
    Mehr als die Reste des gebratenen Dryk konnten sie nicht essen - das kleine Netz hatte Sigfinn mehrfach leer aus dem Wasser gezerrt. Was immer die Welt verändert hatte, war auch ins Meer gedrungen.
    In den kalten Nächten legten sich Brynja und Sigfinn gemeinsam unter Fellen schlafen, um sich aneinander zu wärmen. Doch es war keine Freude in der Berührung der Körper, nur banges Hoffen auf ein baldiges Ende der Reise. Manchmal hörte der Prinz seine Begleiterin leise weinen. So manchen Tag sprachen sie kein einziges Wort miteinander.
    Sieben Mal ging die Sonne auf, bevor Fjällhaven endlich am Horizont erschien. Die kleine Hafenstadt an der dänischen Küste war seit jeher der Handelsposten gewesen, von dem aus die Schiffe mit ihren Waren nach Island

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