Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
Vom Netzwerk:
es in der Taverne totenstill. Mit tausendfach geübten Handgriffen zogen die Männer an den Wänden lederne Abdeckungen über die Fenster, und einer schob einen schweren Holzriegel vor die Eingangstür. Zwei der Schankmägde schleppten schwere Eimer mit Sand herbei und löschten damit die Glut der Feuerstelle unter dem Spieß.
    Die Krieger und Seefahrer sahen einander an, wartend und furchtsam. Kein Krug wurde mehr vom Tisch gehoben, kein abgenagter Knochen zu Boden geworfen.
    »Was kann das bedeuten?«, knurrte Sigfinn. »Es ist, als ob sie sich versteckten.«
    Brynja hob die Schultern. Noch nie hatte sie einen Raum voller starker Männer erlebt, die derart um ihr Leben fürchteten. Als bestünde die Gefahr, von der hereinbrechenden
Nacht verschlungen zu werden, wie es kleine Kinder manchmal denken.
    Sigfinn war die Rätselei leid, und mit halblauter Stimme fragte er in die Runde: »Kann uns jemand sagen, vor welchem Unbill es sich zu verstecken gilt?«
    Niemand wagte zu antworten, den meisten stockte gar der Atem. Nur der Wirt bemühte sich, möglichst lautlos an ihren Tisch zu schleichen.
    »Bei der Gnade der Götter, seid still!«, krächzte er. »Wenn Eure Klingen entdeckt werden, wird der Zorn der Horde uns allen gelten!«
    Sigfinn sah auf den Dolch an seinem Gürtel, dann auf Brynjas schlankes Schwert - erst jetzt fiel ihm auf, dass keiner der anwesenden Krieger eine Waffe mit sich trug.
    »Wie kann es sein, dass diese Männer unbewaffnet sind?«, wollte Brynja von Helbarth wissen.
    »Niemand, dem das eigene Leben wert und teuer ist, verstößt gegen das Waffenverbot«, zischte der Wirt. Er wollte wohl noch etwas hinzufügen, aber schwere Schritte in kräftigen Stiefeln ließen ihn innehalten. Dann hämmerte eine mächtige Faust gegen die verbarrikadierte Tür.
    »Zu spät«, flüsterte Helbarth so leise, dass nur Brynja und Sigfinn es hören konnten.
    Es hämmerte erneut an der Tür, begleitet von einem … Knurren? Einem ungeduldigen, herrischen Knurren.
    Helbarth blickte sich um. In seinen Augen stand Verzweiflung, wie in denen seiner Gäste. Schließlich griff er Brynja und Sigfinn an den Armen. »Kommt mit! Wenn ich Euer Leben rette, werden wir vielleicht alle verschont.«
    Er zog die beiden in den hinteren Schankraum, der gleichzeitig das Lager für Wein und Bier war. Auf dem festen Boden lag ein abgewetztes Fell, das ihre Schritte
dämpfte. Helbarth zog es zur Seite, und eine hölzerne Platte mit einem schweren Eisenring kam zum Vorschein. Er zog daran, und ein kleines unterirdisches Versteck kam zum Vorschein.
    »Rein, rein!«, zischte der Wirt, und Sigfinn und Brynja gehorchten. Das Versteck war nicht größer als der Schrank, der in Sigfinns Gemach auf Burg Isenstein stand, und kein Lichtstrahl durchdrang die Dunkelheit, als Helbarth mit den Worten »Leise, bitte leise!« die Platte wieder darübersenkte.
     
    Grabesruhe. Eine andere Beschreibung fiel Sigfinn nicht ein. Er kauerte an Brynja gedrängt in dem Erdloch, und sie horchten auf das, was sich über ihnen abspielte.
    Zuerst waren da nur Schritte und das leise Knarzen von Holz. Gedämpft konnten beide hören, wie ein weiteres Mal gegen die Tür gepoltert wurde, bevor diese mit einem gewaltigen Knall aufbrach und zersplitterte. Männer schrien auf.
    Brynja presste sich an Sigfinn, und zum Schutz umschlang er sie mit seinen Armen.
    Da war wieder das Knurren. Lauter jetzt, gnadenloser.
    Es wurde hektisch gesprochen, bettelnd, entschuldigend. Helbarth redete auf jemanden ein. Der Protest eines Mannes endete im Röcheln einer durchschnittenen Kehle. Ein Krug zerbrach.
    »Was geschieht dort?«, flüsterte Brynja, und Sigfinn war verängstigt genug, ihr rasch die Hand auf den Mund zu legen. Trotz der düsteren Lage fiel ihm auf, wie weich ihre Lippen an seiner Handfläche lagen.
    Wieder wurde heftig diskutiert, und jemand - etwas? - brüllte wie ein Bär, der einen Wolf angreift. Dann entfernten
sich die schweren Stiefel wieder und nahmen das Knurren mit. Es wurde ruhiger, und nach einer Weile war zu hören, dass die verbliebenen Gäste eilig die Taverne verließen.
    »Ich glaube, wir haben es überstanden«, murmelte Sigfinn schließlich.
    Brynja zog seine Hand von ihrem Mund. » Was überstanden? Hast du auch nur eine Ahnung, was hier vor sich geht?«
    »Nein«, sagte Sigfinn ehrlich in die Dunkelheit, »aber jetzt hat Helbarth offensichtlich die Zeit, es uns zu erklären.«
    Sie warteten zehn, zwanzig Minuten, eine lange Stunde. Dann beugte der

Weitere Kostenlose Bücher