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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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keinen freien Weg mehr fand.
    Bücher, Schriftrollen, Pergamente, Karten, Folianten. Sigfinn fühlte sich an die Bibliothek von Burg Isenstein erinnert, was ihn zugleich erfreute und wehmütig machte.
    »He!«, rief er laut genug, dass Halim erwachte. »Könnt Ihr mir helfen?«
    Der alte Mann mit dem schütteren Bart und den verblichenen Seidenhosen machte nur ein Auge auf. »Wenn es Euch hierher verschlagen hat, ist Euch nicht mehr zu helfen.«
    Sigfinn musterte einige der handgeschriebenen Bücher und Schriftrollen. »Man sagte mir, bei Halim gäbe es die Weisheit aller Länder und Epochen zu kaufen.«
    »Weisheit kann man nicht kaufen«, hielt Halim dagegen. »Kauft Bücher - und sie werden Euch vielleicht die Weisheit schenken.«
    »Ich arbeite an einer … Chronik«, sagte Sigfinn. »Die Geschichte dieser Stadt und ihrer Könige. Was ich bisher in Erfahrung gebracht habe, ist nicht viel, und ich würde für Eure Expertise zahlen.«
    Halim erhob sich ächzend. »Es gibt nicht mehr viele, denen danach ist, von früher zu hören. Was keine Zukunft
hat, braucht auch keine Vergangenheit. Kann ich Euch einen Hong Cha aufbrühen?«
    »Einen Hong Cha? Was ist das?«
    Der alte Mann lächelte und stellte einen Wasserkessel auf das Feuer. »Ein Getränk aus dem Orient. Man brüht bestimmte Blätter in Wasser, bis sie Geschmack und Farbe hergeben. Es wird Euch schmecken.«
    So saßen sie einen Nachmittag beisammen und schlossen den Pakt zweier Männer, die über Dinge sprachen, über die nicht gesprochen werden durfte. Halim zeigte Sigfinn alte Karten, erklärte ihm die neuen Grenzen und berichtete ausführlich von Hurgans Schreckensherrschaft. So erfuhr der Isländer von Elea, von Gadaric und vom Bau der Burg Drachenfels, der fast fünfzig Jahre gedauert hatte und bei dem Tausende Arbeiter ihr Leben gelassen hatten.
    Irgendwann vertraute Sigfinn dem alten Halim genug, um auf den Punkt zu kommen. »Die Bücher sagen, Siegfried sei dem Drachen unterlegen. So wie ich es sehe, begann damit der Untergang von Worms und letztlich von allem.«
    Halim winkte müde ab. »Der begann schon mit den Römern oder mit Gundomars Torheiten. Vielleicht auch danach, als Gunther sich Fafnir unterwarf und in Island zu Tode kam. Oder als die Horden erstmals auftauchten. Wer kann schon sagen, was der Anfang vom Ende war?«
    Der isländische Prinz vermied es, darauf hinzuweisen, dass er genau wusste, dass Siegfrieds Tod Auslöser dieses schwarzen wie falschen Jahrhunderts gewesen war. »Was ließ den Schmied Siegfried in der Schlacht fallen? War sein Arm zu schwach, die Klinge seines Schwerts zu weich?«
    »Wie kommst du darauf, dass Siegfried fiel?«
    Sigfinns Herz schlug schneller. »Du sagst, er starb nicht im Odem Fafnirs?«

    Halim schüttelte den Kopf. »Er unterlag Fafnir, ja. Aber die Nibelungen forderten nicht seinen Tod. Ihn an Leib und Seele zu brechen, das war ihnen genug.«
    Er drehte sich um und kramte eine weitere alte Chronik mit ledernem Einband hervor. »Ich kann es dir nicht verkaufen, doch auf dein Wort werde ich es dir leihen. Es wird dir viele Fragen beantworten.«
    Sigfinn nahm das Buch dankbar entgegen. Er zog eine schwere Münze heraus und gab sie ohne Zögern her. Halim seufzte. »Ich wünschte, ich wäre nicht so arm, mir diesen Freundschaftsdienst bezahlen lassen zu müssen.«
    »Wir alle müssen leben«, sagte Sigfinn freundlich.
    Er verabschiedete sich und trat aus dem Laden. Sein Magen meldete sich energisch, also kaufte er bei einem Händler eine frische Hälfte Brot und nahm einen Becher Bier dazu, den er im Stehen trank. Er hatte das Gefühl, sich langsam in diese Zeit einzufinden. Geschichte war wie ein Teppich, gewoben aus Tausenden von Fäden unterschiedlichster Farben, die am Ende ein Muster bildeten. Er musste diese Fäden lösen, den Teppich bis zu seinem Anfang entzerren, um das Muster dieses Jahrhunderts zu tilgen und vielleicht ein neues zu weben. Und der erste Faden, der für dieses Jahrhundert gewoben worden war, hatte Siegfried geheißen.
    Obwohl Sigfinn in Gedanken versunken war, bemerkte er aus dem Augenwinkel eine kleine Hand, die sich an seiner Hüfte vorbeischob, um kleine Stücke aus dem Brotlaib zu zupfen. Er drehte sich um. Da stand ein Junge, der vielleicht fünf Jahre alt war, für sein Alter aber kränklich und klein aussah. »Schmeckt das gestohlene Brot besser als das gekaufte?«
    Der ertappte Knabe erschrak und wollte davonlaufen.
Sigfinn hielt ihn am Kragen seines zerrissenen Hemdchens

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