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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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das hieß - Vorteile für jene Sklavinnen, die sich im Austausch dafür demütigen ließen. Dabei waren die jungen, unverbrauchten Körper der Neuankömmlinge im Vorteil, und kein Körper war jünger und unverbrauchter als der von Brynja. Walda ahnte, dass um sie ein Feilschen beginnen würde, das den Wert aller anderen Frauen minderte.

    In Waldas Faust sah Brynja einen flachen Stein mit scharfer Kante. Nun verstand sie die Narben in den Gesichtern vieler scheuer Frauen - Walda hatte sie entstellt, um die Chancen ihrer eigenen Gefolgschaft zu verbessern. Den Stein hatte sie sicher bequem im Fluss verstecken können, wo die Horden-Krieger ihn nicht vermuten würden.
    Brynja richtete sich vorsichtig auf. Rahel kam an ihre Seite, doch Brynja schob sie weg. »Das hier muss ich selber tun«, flüsterte sie.
    »Es wird weniger schmerzen, wenn du dich nicht wehrst«, sagte Walda in einem fast vertraulichen Ton.
    In Brynjas Kopf rasten Gedanken und Erinnerungen an Lektionen, die sie im Lager der Rebellen bekommen hatte. Danain hatte es übernommen, sie im Nahkampf zu unterrichten, und die Regeln waren einfach gewesen: »Sei schnell. Sei gnadenlos. Lass nicht ab, bevor dein Ziel erreicht ist.«
    Walda wartete, vermutlich darauf, dass Brynja zu fliehen versuchte. Dann würde sie zupacken und mit dem Steinmesser in ihr Fleisch schneiden. Stattdessen sprang die Prinzessin ansatzlos nach vorne, winkelte den rechten Arm an und stieß Walda den Ellbogen mit voller Wucht gegen die Nase. Es knirschte, und das Blut sprudelte Walda augenblicklich aus dem Gesicht. Sie taumelte rückwärts, ihre Hände wedelten hilflos hin und her. Brynja packte das Handgelenk mit der Waffe und schlug es kräftig auf ihr hochgezogenes Knie. Das Steinmesser klapperte auf den Boden. Ausgestrecktes Bein in den Bauch, dann die Faust gegen den Hals - Brynja wusste, dass Danain stolz auf sie gewesen wäre angesichts der Präzision, mit der sie ihre Gegnerin in die Bewusstlosigkeit schlug.
    Irgendwann kippte Walda unter den Schlägen der fast
halb so schweren und halb so großen Frau nach hinten weg. Brynjas Atem ging pfeifend, und vor ihren Augen tanzten leuchtende Farben, aber sie erkannte, dass die anderen Sklavinnen in Angst erstarrt um sie herum standen und das Spektakel neugierig beobachteten. Und so sprang sie noch einmal der wimmernden Walda auf die Brust und hieb auf sie ein, bis die Horden-Krieger sie davonzerrten.
    Keuchend hockte Brynja auf dem Boden, mit Blut benetzt, das nicht ihr eigenes war. Sie packte das Steinmesser, sah es wie einen Feind an und warf es so weit in den Fluss, dass niemand es mehr finden würde. Ihr Blick fiel auf Rahel, die sie ansah, als hätte sie den Drachen beim Massaker gesehen. Brynja versuchte zu lächeln, aber es wurde nur eine verzerrte Maske daraus.
    Sie hatte gesiegt. Ein wichtiger Sieg. Eine erste Etappe.

8
    Im Zentrum der dunklen Macht

    Sigfinn gönnte sich ein paar ziellose Tage in Worms, um ein Gefühl für den Rhythmus der Stadt zu bekommen. Er lernte, wann sich die Straßen im Morgengrauen füllten und wann sie sich wieder leerten. Er fand die Stände mit den besten Waren und die düsteren Ecken, in denen man zur Nacht nicht ohne Leibwache spazieren sollte. Seine Augen schärften sich für das charakteristische Getrappel der Horden-Stiefel, dem er nach kurzer Zeit behände auszuweichen wusste. Mit seinem Geld ging er vorsichtig um, und für die Männer des Gasthauses, in dem er wohnte, war er weiterhin »Ragnar der Kurier«.
    Es war keine angenehme Erfahrung. Mochte Worms auch lebendiger und abwechslungsreicher sein als der Rest des toten Reiches, so war es doch keineswegs freundlich. Die Menschen waren arm, die Kost karg, und wenn Hurgans Häscher kamen, sahen alle weg, selbst wenn Mitglieder der eigenen Familie unter fadenscheinigen Vorwürfen geholt wurden. Man lebte nicht hier, weil es lebenswert, sondern weil es überall andernorts noch weniger erträglich war.

    An einem Tag, an dem die Wolkendecke über Burgund so dünn war, dass die Sonne durchschimmerte, ging Sigfinn zum Schriftenhändler Halim, von dem ihm erzählt worden war. Der aus Persien stammende Antiquar verkaufte, was kaum noch von Wert war in dieser Zeit: Wissen. Bildung. Geschichte. Sigfinn fand ihn schnarchend auf einem Schemel, in einem winzigen Raum, neben einer heruntergebrannten Kerze. Was der kleine Laden in dem roh verputzten Haus an Fläche zu bieten hatte, war so sehr mit Regalen und Kisten vollgestellt, dass selbst der Atem

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