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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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vorbei, die oft nur knapp unter der Wasseroberfläche lauerten.
    Plötzlich griff das Netz zu, und wo es eben noch geschmeidig durch die Strömung geglitten war, spannte es sich nun wie ein Gitter aus Eisen. Das Boot wurde herumgerissen, die Männer torkelten schreiend über Deck, und
Sigfinn presste es die Luft aus den Lungen, als er gegen die Bordkante geschleudert wurde. Oben wurde unten, eine Welle schwappte über ihn, vor seinen Augen war nur noch Schwarzgrau. Er rappelte sich auf die Füße und warf einen Blick über Bord: das Netz hatte sich an einer Felskante verhakt und zog das Boot in gefährliche Seitenlage.
    »Kappt das Netz!«, brüllte Boran, nicht mehr auf das Kommando des leichtsinnigen Prinzen wartend. »Wir müssen das Schiff befreien!«
    Sigfinn war geneigt, ihm zuzustimmen, zumal seine Schulter schmerzte und vor seinen Augen immer noch träge Wirbel tanzten. Er hatte Manneskraft und Entschlossenheit genug bewiesen.
    Da sah er den Fisch.
    Ein Fisch, wie er noch keinen zuvor gesehen hatte. Vom Leibe her unglaubliche sechs, sieben Meter lang. Dabei nicht elegant und schlank, sondern massig und mit breitem Kopf, an dessen Seiten tief liegende schwarze Augen saßen. Die mächtige Flosse hatte sich im Netz verfangen, und nicht Verzweiflung schien das Tier zappeln zu lassen, sondern Zorn und Empörung.
    Sigfinn wischte sich den Regen aus den Augen, um sicherzugehen, dass er keinem Trugbild aufgesessen war. Doch dieser Koloss des Meeres verschwand auch im klaren Blick nicht, und als er den Kopf zur Seite legte, schien er den Prinzen direkt anzusehen. Kalt, wütend, herausfordernd.
    »Halt!«, schrie Sigfinn gegen den Sturm zu seinen Leuten. »Kappt nicht das Netz!«
    Boran kämpfte sich über das schwankende Deck zu seinem Prinzen. »Eure Hoheit, wir müssen! Sonst bricht der Rumpf, und wir dürfen in die Heimat schwimmen!«

    Sigfinn deutete auf das unruhig peitschende Wasser und das Untier, das im Netz hing: »Ich will ihn haben.«
    Borans Augen wurden groß, und er bekreuzigte sich hastig, wobei er fast über Bord fiel. »Herrgott! Was ist das für eine Bestie?«
    »Können wir ihn einholen?«
    Der von einem wilden Leben vernarbte und von einem mächtigen Vollbart überwucherte Krieger schüttelte den schweren Kopf. »Bei dieser Größe kommen wir gegen ihn nicht an. Und würden wir warten, bis er stirbt, nähme er uns mit in die Hölle. Die Zeit und der Sturm sind gegen uns. Wir müssen das Netz kappen.«
    Sigfinn gönnte sich ein paar Augenblicke, um über die Lage nachzudenken. Was für ein Fang! Was für eine Trophäe! Die konnte er unmöglich dem Meer überlassen!
    Mit einer raschen Bewegung legte der isländische Kronprinz den Gürtel mit seinem Schwert ab, zog den Dolch aus seiner kurzen Scheide und sah seinen Freund durchdringend an. »Gib mir nur eine Minute.« Dann steckte er sich die Klinge zwischen die Zähne.
    Boran versuchte noch, ihn am Wams zu packen, aber Sigfinn war zu schnell - mit einem Satz sprang er über Bord ins Wasser zu dem sich immer mehr verheddernden Netz, das das Boot nun wie mit Ketten an den Felsen zerrte.
    Natürlich hatte Sigfinn die Strömungen unterschätzt, und kaum hatte das Meer ihn in seiner Gewalt, warf es ihn spielerisch hin und her, als wollte es ihn verspotten. Die Klinge riss es ihm beiläufig aus dem Mund, wobei sie seine Lippen schnitt. Seine Hände streiften das Netz, ohne es halten zu können, und es war gar nicht daran zu denken, die Wasseroberfläche zu durchstoßen, um seinen Lungen Luft zu gönnen. Die Strömung drückte ihn nun gegen den
Felsen, das Wams riss an seinem Rücken auf, Stein kratzte das Fleisch roh. Sigfinn meinte, durch Sturm und Meer aufgeregte Stimmen zu hören, doch sein Geist mochte ihm etwas vorspielen.
    Es war an der Zeit, sich zu wehren. Der Prinz trat sich mit den Füßen frei, zwang seine brennenden Augen, nach Lichtreflexen zu suchen, und ruderte mit den Armen auf sie zu. Zuerst einmal musste er sein eigenes Leben retten.
    In alten Schriften hatte er von Rammböcken gelesen, mit denen feindliche Heere Burgtore durchbrachen. Als die seltsame Fischbestie, die zu erlegen er ins Wasser gesprungen war, mit dem Kopf in seine Seite stieß und ihn damit wieder unter Wasser drückte, fühlte sich Sigfinn an diese Geschichten erinnert. Es war, als hätte ein Baumstamm seine Rippen getroffen, und bis in seinen Schädel hörte er sie hässlich knacken. Trotz des wilden Wassers konnte er Blutfahnen erkennen, die im Strudel

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