Das Erbe der Pandora
um einen
Besen zu holen. Die Haustür hielt sie halb geschlossen als Schutzschild vor
sich, während sie den Besenstiel unter den Deckel schob, bis drei zählte und
ihn herunterstieß. Sie kreischte und knallte die Tür zu, als die Explosion
erfolgte. Wenige Sekunden später klingelte das Telefon.
»Iris, meine Liebe!« rief Marge.
»Alles in Ordnung? Habe ich Sie schreien gehört?«
Iris holte tief Luft. »Eine Sekunde.«
Sie spähte durch die Rollos in ihrem Wohnzimmer auf die Veranda hinaus und
lachte erleichtert. »Es war nichts. Jemand hat sich einen Spaß erlaubt. Auf
meiner Veranda stand ein Kartons voll mit diesen explodierenden Schlangen.
Vielen Dank für den Anruf. Hier ist alles in Ordnung.«
Sie ging wieder nach draußen und sah
sich die langen Ziehharmonika-Schlangen aus gelbem, blauem und rotem
Seidenpapier an, die nun die Veranda bedeckten und sich mit Wasser vollsaugten.
An einer war ein kleiner, gefalteter Zettel befestigt. Dieser Zettel hatte die
Schlange anscheinend niedergedrückt, denn das Ende lag immer noch im Karton.
Sie bückte sich und entfernte die Notiz von dem Ende der Schlange, die auf der
Veranda lag. Die maschinengeschriebenen Nachricht lautete: Falscher Zug!
Kümmere dich um Deine eigenen Angelegenheiten, sonst ist Dein nächster Zug auch
dein letzter.
Sie hörte ein Geräusch, von dem sie
zuerst dachte, es wäre der Regen, der durch das Abflußrohr vom Dach
herunterlief. Dann merkte sie, daß es viel näher war. Sie schaute vorsichtig in
den Karton. Eine Schlange, nicht aus Seidenpapier, schlängelte sich darin und
klapperte mit ihrer Rassel.
»Es gibt viele Leute, die denken
könnten, daß ich mich zu sehr in ihre Angelegenheiten mische: T. Duke Sawyer,
Summer Fontaine, Evan Finn, die Führungskräfte von Pandora, die von mir
verlangen, daß ich an T. Duke verkaufe...« Iris sah in ihren Kaffeebecher und
geriet ins Stocken. »Oder Kip Cross.«
Detective Tiffany Stubbs machte sich
auf einem kleinen Spiralblock Notizen. »Ist dies das erste Mal seit dem Mord an
Bridget Cross, daß man Ihnen gedroht hat?«
Iris nickte. »Ich wünschte, ich wüßte,
wohin diese Klapperschlange verschwunden ist. Ich möchte ihr nicht in einem
meiner Schränke wiederbegegnen.«
»Zu schade, daß die Leute vom
Tierschutz sie nicht finden konnten. Wie der Mann schon sagte, wahrscheinlich
sucht sie sich ein nettes Zuhause im Gebüsch da draußen.« Stubbs klappte den
Notizblock zu und steckte ihn zusammen mit dem Stift in ihre Tasche.
»Wie nett.«
Stubbs hob mit den Fingerspitzen den
Drohbrief hoch und ließ ihn in eine braune Papiertüte fallen. »Sieht aus, als
wäre er auf einem Laser- oder Tintenstrahldrucker ausgedruckt worden. Praktisch
unmöglich, genau die Maschine ausfindig zu machen. Ich vermisse die Zeiten der
mechanischen Schreibmaschinen. Aber wir können den Zettel und den Karton auf
Fingerabdrücke untersuchen.«
Sie wollte aufstehen, doch Iris
streckte die Hand aus, so als wollte sie sie daran hindern. »Hören Sie,
Detective, ich bin mir absolut sicher, daß dieser Evan Finn irgendwie in
Verbindung zu T. Duke Sawyer steht.«
Stubbs stand trotz Iris’ Hinweis auf
und hing sich ihre Handtasche um die Schulter, so als wäre sie nicht sonderlich
daran interessiert, was Iris über Finn zu sagen hatte. »Miss Thorne, es tut mir
leid, wenn Sie im Büro schwierige Situationen zu bewältigen haben. Ich weiß,
wie nervenraubend so etwas sein kann, aber ich sehe keine Verbindung zwischen
diesem Evan Finn und den Mordfällen Bridget Cross und Alexa Platt.«
»Aber es könnte eine riesige Verbindung bestehen!«
Stubbs verzog den Mund. Allmählich
wurde sie wütend.
Iris fuhr fort. »Ich habe ein Glas mit
den Fingerabdrücken von Finn. Bitte...«
Stubbs hob die Hände und unterbrach
Iris. »Es tut mir leid, aber ich bearbeite im Moment sechs Tötungsdelikte. Ich
habe für so etwas keine Zeit.«
Iris erhob sich ebenfalls. Bevor
Stubbs gekommen war, hatte sie rasch ihren Pyjama gegen eine Jeans und einen
Pullover eingetauscht. »Aber vielleicht haben Sie hierfür Zeit. Brianna Cross
hat Bilder von dem gemalt, was sie in der Mordnacht gesehen hat.« Jetzt konnte
sich Iris der Aufmerksamkeit von Stubbs sicher sein. »Ich habe sie.«
»Und Sie haben sie uns nicht
unverzüglich übergeben?«
»Ich habe sie erst gestern bekommen.
Ich hätte Ihnen gar nicht davon erzählen brauchen.«
»Stimmt. Geben Sie mir das Glas mit
den Fingerabdrücken.«
»Danke«, sagte Iris erleichtert.
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