Das Erbe der Pandora
hinaufrannte, die ihre Straße, den Casa Marina Drive, mit der
Capri Road verband, und dabei über die wuchernden Ranken, Unkräuter und
abgebrochene Stufen sprang. An der Capri Road sperrte die Polizei gerade einen
Bereich mit gelbem Plastikband ab. Einige Nachbarn waren aus ihren Häusern
gekommen, um zu sehen, was los war. Sie schauten neugierig auf die letzten
Stufen der Treppe. Iris ging näher heran und drängte sich durch die kleine
Menschenmenge. Banzais Kopf war nach hinten verdreht. Aus seinem Mund lief ein
dünnes Blutrinnsal über die Wange und auf die Zementstufen.
Die Detectives Tiffany Stubbs und Jess
Ortiz fragten, ob irgend jemand der Anwesenden den Toten kannte.
»Ich«, sagte Iris. Sie sah zur Villa
auf dem Hügel hinauf.
29
D ie Detectives Stubbs und Ortiz
klingelten an der Tür der Villa von Kip Cross. Das große Haus hatte kein
Vordach, das sie vor dem starken Regen geschützt hätte, so daß sie mit
hochgezogenen Schultern und tief in die Taschen ihrer Regenmäntel vergrabenen
Händen ausharrten.
Stubbs trug einen Hut mit einer
breiten Krempe, doch ihre Haare waren trotzdem naß und lagen in dicken, dunklen
Strähnen auf ihrem Kragen. »Auf diesen Augenblick habe ich gewartet«, murmelte
sie. »Zu schade, daß noch einer dran glauben mußte, bevor wir uns diesen
Mistkerl schnappen konnten.«
Ortiz trug einen knitterfreien Hut aus
demselben Material wie sein Regenmantel, und er hatte ihn tief über den fast
kahlen Kopf gezogen. »Ich frage mich, wie lange der Junge da schon lag, bevor
ihn dieser Obdachlose gefunden hat.«
Stubbs griff nach dem schweren
Messingklopfer und donnerte mehrere Male gegen die Tür. »Iris Thorne hat
gesagt, Banzai Jefferson sei gegen 13.15 Uhr aus dem Büro von Pandora
hinausbegleitet worden. Unter günstigen Bedingungen braucht man etwa eine
dreiviertel Stunde von West Los Angeles bis hierher. Sagen wir eine Stunde.
Damit läge der Zeitpunkt des Todes zwischen 14.15 Uhr und dem Moment, als er
gefunden wurde.« Sie schlug mit dem Türklopfer noch einmal laut gegen die Tür.
Am anderen Ende des Hauses ging ein
Licht an.
»Ist unwahrscheinlich, daß der Junge
dort mitten am Tag lag, ohne daß ihn jemand entdeckt hat«, sagte Ortiz.
»Es hat den ganzen Tag geregnet.
Niemand lief draußen herum. Die Mütter, die hier wohnen, schicken ihre Kinder
zu allen möglichen Clubs und Vereinen. Wahrscheinlich ist hier vor Einbruch der
Dunkelheit kaum jemand zu Hause.« Stubbs sah zu dem verbeulten VW Käfer neben
Kips Haus. »Ob das der Wagen von dem Jungen ist?«
Kip Cross öffnete die Tür. Er trug
einen gesteppten, roten Satinbademantel mit breiten Aufschlägen und einem
Monogramm auf der Brust. Sein Gesichtsausdruck verriet, daß die Detectives die
letzten Menschen waren, die er sehen wollte.
Die Beamten brauchten sich nicht
vorzustellen. »Mr. Cross«, sagte Stubbs, »können wir hereinkommen und Ihnen ein
paar Fragen stellen?«
»Worum geht’s?«
»Sir, können wir hereinkommen?« fragte
Stubbs erneut.
Ohne ein Wort drehte Kip sich um und
ging ins Haus. Er durchquerte das geflieste Foyer und trottete mit seinen
nackten Füßen die drei Stufen hinunter in das Familienzimmer.
Die Detectives folgten ihm, nachdem
sie die Tür zugemacht hatten. Der Regen tropfte von ihren Mänteln auf den
Boden.
Kip schien das nichts auszumachen. Er
bot ihnen nicht an, ihre Regenkleidung auszuziehen oder sich zu setzen. Er
löste die Schärpe seines Bademantels, öffnete ihn, rückte ihn zurecht und
wickelte sich fest in ihn ein, bevor er die Schärpe wieder zuknotete. Unter dem
Bademantel war er nackt, und er scheute sich nicht, das zu zeigen. Er deutete
den Detectives mit einer Handbewegung, daß sie anfangen konnten.
Stubbs ließ sich nicht zweimal bitten.
»Kennen Sie einen Mann namens Banzai Jefferson?«
»Flüchtig.«
Die Detectives beobachteten ihn genau
und versuchten zu erkennen, ob er den Grund für ihren mitternächtlichen Besuch
kannte. »Wir haben ihn gerade am Ende der Treppe, die zu Ihrem Haus führt, tot
aufgefunden.«
Kip starrte auf den Boden, die Hände
in die Hüfte gestemmt, so als versuchte er zu verarbeiten, was er gerade gehört
hatte.
Stubbs und Ortiz sahen sich kurz an.
Stubbs hob eine ihrer Augenbrauen. Der Regen trommelte aufs Dach und gegen die
Fenster.
Ungeduldig fuhr sich Kip mit der Hand
durch die Stoppelhaare. »Was ist passiert?«
»Mr. Jefferson ist entweder gefallen
oder wurde gestoßen«, sagte Stubbs. »Anscheinend hat er sich
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