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Das Erbe der Phaetonen

Das Erbe der Phaetonen

Titel: Das Erbe der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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immer schnel- ler, um den nahenden Regen abzufangen. Man konnte glauben, sie kämpften miteinander und versuchten, sich gegenseitig mög- lichst viel freien Raum zu nehmen. Jedes Blatt schien sich über seine Nachbarn legen zu wollen, die wiederum den gleichen Wunsch hegten.
       Rasch veränderte sich so das Aussehen des Waldes. In nichts erinnerte er noch an den Wald der Erde. Eine glatte, glänzende Fläche breitete sich nach allen Seiten und glich von oben einem bunten Parkettfußboden.
       Das farbenprächtige Feuerwerk aber, das Balandin und Be- lopolski vor kurzem im Wald beobachtet hatten, war aus der Vogelperspektive gar nicht zu sehen. Die Blätter, die sich in ihrer ganzen Breite entrollt hatten, verbargen es unter sich.
       Wälzte sich nun eine mächtige Regenwand auf den Wald zu, neschah etwas geradezu Unfaßbares.
       Die „SSSR-KS 3“ hatte nur mit knapper Not dem Ansturm der Wassermassen standgehalten, auch die Tragflächen von Melnikows Flugzeug waren seinerzeit unter dem Wasserdruck wie Pappflügel abgebrochen. Aber die Blätter der Venusbäume, ein weicher, pflanzlicher Stoff also, widerstanden mühelos dem schrecklichen Angriff. Binnen Sekunden entschwand das orange- rote „Parkett“ den Blicken. An seiner Statt tobte ein brodelndes Meer, das sich über schäumende Kaskaden zu den Ufern des Flusses und des Waldsees ergoß.
       Die Wassermassen prallten also an der Waldkuppel ab, sie durchschlugen sie nicht und konnten die Wurzeln der Bäume nicht netzen; diese nährten sich entweder von der Feuchtigkeit, die die Blätter aufnahmen, oder vom Grundwasser.
       So erklärte sich auch der Umstand, daß der Boden in den Waldschneisen trocken blieb.
       Als erster kam Belopolski wieder zu sich.
       Er schlug die Augen auf, sah aber nichts. Ringsum herrschte Düsternis. Minutenlang blieb er liegen, ohne sich zu rühren. Krampfhaft versuchte er sich zu erinnern, wo er sich befand und was ihm widerfahren war. Da kam ihm zum Bewußtsein, daß ein anderer auf ihm lag, und er nahm scharfen Ozonduft und Brandgeruch wahr.
       Seinen rechten Arm konnte er bewegen; fast mechanisch langte er nach dem vertrauten Hebel des Luftschlauches und legte ihn herum.
       Der Sauerstoffstrahl brachte sogleich Klarheit in seine Ge- danken. Tief atmete er das belebende Gas ein und schloß den Hahn wieder.
       Behutsam kroch er unter Balandin hervor, der offenbar im- mer noch ohnmächtig war: Er wurde nun hellwach. Deutlich stand ihm wieder vor Augen, wie das Gewitter angefangen, die Feuersäule sich aufgerichtet und auf ihren Wagen gestürzt hatte. Besorgt befühlte er im Dunkeln die Instrumententafel. Er drehte den Hauptschalter – welch eine Freude! Die Lampen, die Akkumulatoren und das Leitungsnetz waren nicht beschä- digt! Helles Licht erstrahlte in der Kabine.
       Ein Blick auf das Funkgerät genügte, um zu wissen, was mit ihm geschehen war. Empfänger und Sender, die in ein und dem- selben Gehäuse steckten, hatten sich in eine formlose Masse ausgeglühten und teilweise geschmolzenen Metalls verwandelt. Kein Zweifel – in die Antenne, die sie einzuziehen vergaßen, hatte der Blitz eingeschlagen.
       Eine unverzeihliche Fahrlässigkeit! dachte Belopolski. – Ein Wunder, daß wir überhaupt noch leben!
       Im selben Augenblick wurde ihm klar, daß er das vorläufig nur von sich sagen konnte; sein Begleiter lag regungslos am Boden und gab kein Lebenszeichen von sich.
       Balandin hatte näher am Funkgerät gesessen und war des- wegen vielleicht stärker getroffen worden. Rasch, aber vorsich- tig drehte Belopolski den Professor auf den Rücken.
       Das Gesicht totenbleich, die Augen eingefallen, die Lippen blau angelaufen – war er etwa tot? ...
       Funken konnte Belopolski nicht mehr. Er hatte keine Mög- lichkeit, mit dem Raumschiff zu sprechen und den Rat des Arz- tes zu erbitten. Ein Sprechfunkgerät hatte er nicht mitgenom- men.
       Belopolski tat das erste beste, das ihm in den Sinn kam. Er knöpfte Balandins Kragen auf, schob dem Genossen den Schlauch des Sauerstoffbehälters zwischen die Lippen und drehte den Hahn weit auf. Dann holte er eine Flasche aus dem Sani- tätskasten und flößte Balandin etwas Alkohol ein.
       Diese einfache Maßnahme wurde von Erfolg gekrönt. Die bläuliche Färbung der Lippen verlor sich, und es röteten sich die Wangen des Ohnmächtigen, weil das Blut wieder in Be- wegung kam. Nach bangen Minuten schlug er die Augen auf

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