Das Erbe der Phaetonen
einen Plan. Wenn er verwirklicht ist, werde ich Ihnen davon berichten. Eher nicht.“
Die Sternfahrer glaubten zunächst, Toporkow scherze. Aber Igor Dmitrijewitsch schien wirklich gekränkt zu sein. Obwohl Korzewski ihn sehr herzlich bat, sich nicht in Schweigen zu hüllen, blieb er stumm. Der Biologe mußte seine Versuche schließlich, voller Groll auf Belopolski, aufgeben.
„Woher konnte ich wissen, daß Igor so empfindlich ist“, sagte der Kommandant kaum merklich lächelnd, „und darum geht es doch wohl auch gar nicht. Er will einfach nichts sagen, bevor er sich nicht überzeugt hat, daß es stimmt.“
„Dann hätte er auch keine Andeutungen machen sollen!“
„Tja, da ist nichts zu machen! Fassen wir uns in Geduld!“
Der ungeduldige Biologe versuchte noch mehrmals in Topor- kow zu dringen, erreichte aber nichts. Igor Dmitrijewitsch konnte manchmal sehr dickköpfig sein.
Dennoch erfuhr ein Mitglied der Expedition früher als die anderen von dem Plan. Es war Saizew. Ohne die Hilfe des Ingenieurs und Mechanikers war das Vorhaben nicht zu ver- wirklichen. Aber Toporkow verpflichtete ihn zum Schweigen, und der Oberingenieur des Raumschiffes wußte zu schweigen.
Der Morgen graute. Aufs neue ging am Horizont die un- sichtbare Sonne auf. Das Ende der Nacht wurde durch ein fürchterliches Gewitter angezeigt, das zwölf Stunden ununter- brochen tobte. Die Natur der Venus feierte gleichsam ihr Er- wachen aus einem zweihundertsiebzigstündigen Winterschlaf.
Die Sternfahrer bereiteten alles zum Start vor. Die für die erste Nacht vorgesehenen Arbeiten waren erledigt; sie hatten sogar noch mehr geschafft. Belopolski wollte nun zu den Bergen fliegen, den Bergsee suchen, auf den ihn die Venusianer auf- merksam gemacht hatten, und die restliche Zeit dort verbringen.
Am 4. August startete das Raumschiff von seinem alten Liege- platz und hinterließ den Seebewohnern zur Erinnerung an den Besuch einen verbrannten Uferstreifen. Melnikow, der am Steuerpult saß, flog zum Abschied noch einmal über den See.
Tief bewegt spähten die Sternfahrer auf die spiegelglatte Wasserfläche hinab. Dort unten lag die seltsame, vom rosigen Licht rätselhafter „Bäume“ erhellte Welt, dort unten krochen „Schildkröten“ umher, die lebendig gewordenen Lauben glichen und die „Arbeitskräfte“ der Venus stellten.
Dort unten, im Innern des Steilufers, verbarg sich die riesige Höhle mit der unterirdischen Stadt aus Häusern ohne Dächer und mit leuchtenden Wänden. Drei von ihnen waren in dieser Stadt der Venusianer gewesen, ohne viel von ihr gesehen zu haben. Sinowi Serapionowitsch hatte dort den Tod gefunden. Die mit Baumstämmen verschalten Wände des rosigen Tunnels waren das Letzte gewesen, was er sah, denn hier verlor er für immer das Bewußtsein.
Was mochten die Bewohner der Stadt im Augenblick tun?
Korzewski versicherte, sie schliefen. Für die Venusbewoh- ner bedeute der Tag dasselbe wie für die Menschen die Nacht. Drei irdische Wochen seien für die Venusianer ein Tag und eine Nacht. Ob sie wirklich schliefen?
Vielleicht könnte man sich gerade jetzt am leichtesten heim- lich in ihre Stadt schleichen und darin umsehen?
Der See blieb zurück. Unter den Tragflächen des Raumschiffes strömte in der Tiefe der breite Fluß.
Nirgends waren Spuren von Leben zu entdecken. Man sah nichts als Pflanzen. Kein Wunder, daß die Menschen, die als erste die Venus besucht hatten, zu falschen Vermutungen ge- langten. Auch die Besatzung der „SSSR-KS 3“ hätte dieser Täu- schung erliegen können. Nichts wies darauf hin, daß der Planet bewohnt war.
Die Venus war ein Rätsel! Ein verschlossenes Buch, das erst die nachfolgenden Expeditionen würden lesen lernen.
Wissenschaftler sind zähe. Die Arbeit von Belopolskis Expe- dition ging dem Ende zu. Ihr Raumschiff würde bald zur Erde zurückkehren. Aber an seiner Statt werden andere zur Venus fliegen. Zwei-, drei-, viermal. Sooft wie nötig.
Der Mensch muß alles wissen!
Schnell fliegt das Schiff. Deutlich spiegelt sich in den Wassern des Flusses die geflügelte Zigarre mit dem langen, feurigen Schweif. Kilometer um Kilometer rast sie dahin. Vorwärts, immer vorwärts! Zu neuen Entdeckungen, zu neuen Gipfeln des Wissens!
Ohne Ende und schwer, aber herrlich ist der steile Aufstieg menschlichen Wissens!
1957
Das Erbe der Phaetonen
Die metallene
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