Das Erbe der Phaetonen
verschiedenfarbiger Punkte wie blaue, gelbe und lila Funken. Jede Facette hatte ihre eigene Farbe und schien abgrundtief zu sein. Weder Schaltknöpfe oder –hebel noch Instrumente waren zu sehen.
„Wenn das ein Steuerpult ist“, sagte Melnikow, „hat es eine recht merkwürdige Form.“
Wtorow antwortete nicht. Nur das leise Surren der Film- kamera unterbrach die tiefe Stille. Die bläulich leuchtende Luft, das Glitzern des „Steuerpults“, die scheinbar in der Luft auf- gehängten durchsichtigen „Sessel“ – das alles war so ungewöhn- lich, daß sich der sonst nicht zum Phantasieren neigende Mel- nikow Träumereien hingab.
Hier in diesem Sessel, dachte er, hat einst ein kleiner Phae- tone gesessen und das ungewöhnliche Raumschiff, ich weiß nicht wie, in die Leere des Weltraumes hinausgesteuert. Ahnte er, daß er niemals in die Heimat zurückkehren und seine Tage auf der Venus beschließen würde? Mit welchem Ziel haben sie da- mals wohl den Weltraumflug angetreten?
Das Surren der Kamera verstummte.
„Gehen wir weiter?“ fragte Wtorow.
„Ich denke gerade daran“, sagte Melnikow, „daß wir Men- schen die Technik des Phaetonen vielleicht mal verstehen lernen und anwenden werden. Vielleicht sehen unsere Raumschiffe ein- mal genauso aus wie dieses, werden sie genauso gelenkt wer- den. Jetzt aber haben wir noch nicht die geringste Ahnung, wie das vor sich geht.“
„Wahrscheinlich sehr einfach wie bei allem Vollkommenen. Aber es ist tatsächlich schwer zu begreifen. Was könnte jemand tun, der in diesem Sessel sitzt? Nur beobachten. Vielleicht ist dies gar kein Steuerpult, sondern ein astronomisches Observa- torium.“
Wtorows Gedanke schien Melnikow einleuchtend. Doch was sollte man in diesen verschiedenfarbigen Facetten erblicken? Sie machten nicht den Eindruck, als seien sie durchsichtig.
„Vielleicht sieht man in ihnen nur etwas, wenn man im Sessel sitzt“, meinte Wtorow.
„Sei nicht unvorsichtig.“
„Wieso, Boris Nikolajewitsch? Ich rühre nichts an. Der Sessel ist zwar klein, paßt aber für einen Menschen noch gerade. Lassen Sie es mich versuchen. Vielleicht sehe ich tatsächlich etwas. Das würde es uns bedeutend erleichtern, den Zweck der Konstruk- tion verstehen zu lernen.“
Melnikow schwankte. Seine Unruhe wuchs instinktiv. Die fremdartige Einrichtung des Raumschiffs machte offenbar selbst seinen eisernen Nerven zu schaffen.
„Gut“, entschied er. „Setz dich rein, aber du darfst nur gucken und dich nicht bewegen.“
„Aber wird der Sessel unter meinem Gewicht nicht aus dem Leim gehen?“
„Der ,Steg' hat ja auch gehalten, und der Sessel scheint aus demselben Material zu sein“, antwortete Melnikow.
Vorsichtig nahm Wtorow auf dem halbrunden Sitz Platz. Nichts Bedrohliches geschah. Der Sessel hielt die Last aus.
Augenblicklich aber flammte im Zentrum der vor ihm befind
lichen Facette wieder der blaue Ring mit dem gelben Kreuz auf. Er war nicht länger als eine Sekunde sichtbar.
„Rühr dich nicht!“ schrie Melnikow.
Steif und starr saß Wtorow da und wandte kein Auge von der Facette. Nichts war in ihr zu sehen, aber plötzlich kam es ihm so vor, als sei sie dunkler geworden. Die glitzernden Punkte hatten sich in bewegungslose Lichtchen verwandelt.
Eine Minute verging, und noch eine. Nichts weiter geschah, nichts veränderte sich. Allmählich beruhigte sich Melnikow wieder.
„Siehst du etwas?“ fragte er.
„Nichts.“
„Warum bewegen sich die Punkte auf einmal nicht mehr?“
„Ich weiß nicht.“
„Das muß etwas zu bedeuten haben.“
„Aber was?“
Anscheinend drohte doch keine Gefahr. Am ehesten war an- zunehmen, daß der blaue Kreis vor einer Berührung des Steuer- pultes warnte. Die Phaetonen hatten das Signal wohl in der Hoffnung hinterlassen, die vernünftigen Wesen von einem ande- ren Planeten würden seine Bedeutung verstehen.
„Steh wieder auf!“ sagte Melnikow. „Aber vorsichtig.“
„Filmen Sie mich doch bitte in diesem Sessel“, bat Wtorow. Er hatte seinem Kameraden die Kamera übergeben, bevor er sich setzte.
Melnikow erfüllte den Wunsch. Ernste Folgen konnten dar- aus ja nicht entstehen.
„Aufnahme eines Phaetonen am Steuerpult“, scherzte er.
„Ich stelle mir gerade vor, daß ich das Raumschiff tatsächlich zu steuern
Weitere Kostenlose Bücher