Das Erbe der Phaetonen
troffen zu werden.
Die Expeditionsmitglieder hatten schon auf der Erde ein Spezialtraining für den Aufenthalt auf der Venus absolviert. Sie hatten bei hoher Temperatur übungsweise gearbeitet. Daher fürchteten sie sich nicht vor der tropischen Hitze, die sie drau- ßen erwartete.
Auch Ultraschalldolche waren nicht vergessen worden, mit denen man leicht und schnell Lianen und andere Hindernisse organischer Natur beseitigen konnte, wenn sie den Weg ver- sperrten; außerdem rüsteten sich die vier Mann mit dicken Tauen und Bergstöcken aus, die zugleich als Elektrovibratoren dienten – sie brauchten bloß durch einen Draht mit der Batterie des Funkgeräts verbunden zu werden. Ebenso wie am Raum- anzug war oben am Helm ein kleiner Scheinwerfer angebracht, für den Fall, daß man auf eine dunkle Höhle stieß. Die Nacht drohte nicht so überraschend hereinzubrechen wie auf der Ar- sena; die Bucht war gerade erst in den Bereich des Tages ge- rückt, und vor anderthalb Erdenwochen würde es nicht Abend werden.
So ausgerüstet, gingen die vier Sternfahrer in die Luftschleuse.
„Sind die Anzüge in Ordnung?“ fragte Belopolski. „Die Luft- zufuhr?“
„Normal“, antworteten alle der Reihe nach.
„Anfrage an die Steuerzentrale! Wie steht's mit dem herme- tischen Türverschluß?“
„Zeigt Grün“, antwortete Melnikow – er meinte die Farbe des Kontrollämpchens.
„Und die Treppe?“
„Ist ausgefahren.“
„Ich öffne!“
Die zweiflügelige Tür verschwand nach beiden Seiten. Sogar durch das dicke Gewebe der Kombination hindurch spürten die Männer, wie ihnen feuchtheiße Luft entgegenschlug. Eine Dunst- wolke wälzte sich in die Schleusenkammer.
Dicht unter dem Ausgang plätscherte das Wasser des Fjordes, in dessen dunkler Tiefe sich verschwommen die Umrisse selt- samer Gebilde, Pflanzen oder Felsenklippen, abzeichneten. Durch den Helm hindurch waren von allen Seiten bald nahe, bald ferne ohrenbetäubende Donnerschläge zu hören. Von Zeit zu Zeit mußten die Männer vor grellen Blitzen, die in der Nähe einschlugen, die Augen schließen. In hundert Meter Entfernung zeichnete sich das ersehnte Ufer ab, ein hoher Steilhang, den malerisch der orangerote Wald krönte.
„Auf der Arsena wären wir mit einem Satz an Land gewesen“, sagte Wtorow.
Niemand antwortete auf die humorige Bemerkung. Voll ver- haltener Erregung betrachteten die Sternfahrer stumm die Land- schaft, die sich vor ihnen breitete.
Unterhalb der Luftschleuse öffnete sich die Tür eines Hangars, in dem ein Elektro-Motorboot hing. Es hatte ein durchsichtiges Plastedach, das sich beim Einstieg auseinanderschob.
Wtorow setzte die Treppe an, und die vier Mann gingen an Bord des kleinen Wasserfahrzeugs, das bequem acht Passagiere aufnehmen konnte. Vom Steuerpult aus wurden die Haltetrosse gefiert, und das Boot glitt behende ins Wasser.
Sogleich hielt Balandin seine Hand, die in einem dünnen Handschuh steckte, ins Wasser. Er empfand es weder als warm noch als kalt, also glich die Wassertemperatur annähernd der Körpertemperatur des Menschen. Das Thermometer bestätigte dies; es zeigte 37,2 Grad an. Der Professor füllte vorher bereit- gestellte Flaschen und verschloß sie sorgfältig mit Glaskorken.
Korzewski übernahm die Aufgaben des Maschinisten. Er schaltete den Motor ein, und das Boot löste sich langsam vom Schiff.
Wtorow spähte emsig durch den Sucher seiner Kamera und filmte den historischen Augenblick: Die erste Expedition auf der Venus bricht auf.
Zwanzig Meter vom Ufer entfernt stoppte das Boot. Das Ufer fiel steil zum Wasser hin ab. Nirgends war eine Stelle zu entdecken, an der man hätte an Land gelangen können. Ganz oben waren die Ränder der gelben Büsche zu sehen, die auch vom Boot aus wie eine dichte, schwammige Masse wirkten. Über ihnen reckten sich die Stämme der Bäume himmelwärts; die Wolken schienen ihre reglosen Wipfel zu berühren.
Blendend hell zuckte ein Blitz auf und schlug am gegenüber- liegenden Ufer ein; ohrenbetäubender Donner rollte über den Wald dahin. Die vier Forscher konnten gerade noch das Plaste- dach zusammenschieben, als auch schon ein ungeheurer Regen- guß herniederprasselte. Eine Gewitterfront, wie das Raumschiff sie soeben erst durchflogen hatte, zog über der Bucht herauf und tauchte alles mit Augenblickes Schnelle in völlige Finster- nis.
Das Schiff,
Weitere Kostenlose Bücher