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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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gegenüber natürlich nicht zugeben. Ein Sterndeuter wandelte immer auf einem schmalen Grat: Er sollte die Zukunft einerseits richtig vorhersagen, andererseits aber nichts Unangenehmes verkünden.
    »Monseigneur, was heute in den Sternen steht, das steht morgen auch noch in den Sternen«, beschied sie den Ritter. »Auf einen Tag wird es nicht ankommen. Aber wenn der Graf so dringlich darauf wartet, kann ich heute Nacht schon ein Horoskop erstellen und ihm dann gleich morgen vorlegen. Wenn ich die halbe Nacht im Sattel sitze, kann ich das nicht. Also bezähmt Eure Ungeduld, ich werde dem Grafen alles erklären.«
    Damit ließ Miriam den Ritter stehen, grüßte knapp und feindselig zu den Handwerkern hinüber und machte sich auf den Weg in die Unterkunft des Medikus. Abram erwartete sie dort schon. Er hatte von der Ankunft des Boten gehört und konnte sich vorstellen, worum es ging.
    »Also, wenn du mich fragst, sollten wir noch heute Nacht nach Al Andalus aufbrechen«, bemerkte er und gab seiner Frau einen Becher Wein. »Der Boden hier ist heiß, aber der in Toulouse wird noch heißer werden. Dafür scheinen die Grenzen nach Aragón frei zu sein, da ist unser Graf ja gerade mit einem Heer durchgezogen. Wir spielen einfach ein paar Tage lang brave, spanische Christen …« Salomon warf ihm einen vielsagenden Seitenblick zu. Besonders Miriam war es früher nicht so leichtgefallen, die Christin zu spielen. »Na gut, von mir aus auch jüdische Händler. Wir haben ja die Pässe des Emirs. Und in drei oder vier Wochen sind wir in Granada. Der Emir wird sein Versprechen halten, Miri! Die besten Lehrer der Sternkunde warten auf dich. Die modernsten Instrumente! Da willst du doch nicht weiter für den Grafen die Wahrsagerin spielen!«
    Miriam wand sich. »Aber die Mädchen«, sagte sie dann. »Und Geneviève … ich kann sie doch nicht einfach dem Grafen ausliefern.«
    »Geneviève kann ja bleiben, wo sie ist«, meinte Abram unbekümmert. »Pierre de Montalban ist ihr Vater, der Graf kann ihr gar nichts befehlen.«
    »Und Sophia …« Miriam verließ ihre Schützlinge nur ungern. »Und unsere Katapulte …«
    Abram fasste sich an den Kopf. »Du willst nicht wirklich auf einen Angriff warten, nur damit du diese Dinger mal abfeuern kannst! Komm, Miriam, ich kaufe dir ein Kätzchen. Oder einen Windhund … dann hast du was ganz Ungefährliches zum Bemuttern.«
    »Ich gehe nicht nach Toulouse, wenn Ihr nicht geht!« Das war Geneviève. Sie hatte die Kemenate betreten und die letzten Worte mitbekommen. »Und Ihr müsst nach Toulouse. Ihr könnt uns nicht allein lassen! Der Graf … Ihr wisst doch, wie er ist, Herrin Ayesha! Er braucht besonnene Berater. Dies ist sein letztes Aufgebot, Herrin. Wenn er Montfort jetzt nicht schlägt …«
    »Das haben wir beim letzten und vorletzten Mal auch gesagt«, bemerkte Abram.
    Salomon warf derweil einen Blick aus dem Fenster. »Da draußen«, sagte er dann gelassen, »werden gerade die Ausgänge mehrfach bemannt. Es sieht fast aus, als habe der Graf deine mangelnde Begeisterung vorausgesehen, und der Bote hat entsprechende Anweisungen gegeben. Sehr unwahrscheinlich, dass du heute Nacht dorthinaus kommst, Ayesha.«
    Miriam warf wütend den Kopf zurück. »Ich bin nicht seine Gefangene!«
    Abram seufzte. »Aber du könntest es werden. Verdammt sollen sie sein, all diese hohen Herren! Wir hätten uns viel früher absetzen sollen!«
    »Das geht vielleicht auch gegen mich«, murmelte Geneviève. »Ich hab wohl ein bisschen heftig reagiert, als der Bote mich zum Grafen befahl. Wie auch immer – ich nehme heute noch das Consolamentum. Dann kann er mich nicht anrühren.« Das Mädchen senkte den Kopf.
    Miriam blickte alarmiert auf. Genevièves Stimme klang ganz anders als früher, wenn sie von ihrer geplanten Weihe zur Parfaite sprach. Nicht erfüllt von freudiger Erwartung, sondern eher, als sei dies ein Zeichen der Resignation. Auch Salomon fuhr hoch.
    »Das kommt gar nicht infrage!«, erklärte er resolut. »Oder giltst du als ausreichend vorbereitet auf ein Leben als Parfaite?« Er betonte das Wort Leben.
    Geneviève errötete. »Nein«, gab sie dann zu. »Ich … ich habe meine Verfehlung gebeichtet. Aber es ist natürlich … es war damit natürlich vorerst aus mit meinem Leben als Initiierte. Wenn ich jetzt das Consolamentum nehme …«
    »… erwartet man von dir, dass du dich anschließend zu Tode hungerst!«, rief Salomon empört. »Oder ins Feuer stürzt, oder was auch immer. Kind, Gott

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