Das Erbe der Pilgerin
anderer Hinsicht von seinen Trinkkumpanen unterschied. Er war offensichtlich nicht hier, um Beute zu machen oder um der Vergebung seiner Sünden willen – er schien mit Herzblut dabei zu sein und die Albigenser und den Grafen von Toulouse glühend zu hassen.
»An Mathieu müsst Ihr Euch halten, wenn wir Toulouse einnehmen!«, meinte denn auch einer. »Der hat dem Grafen als Knappe gedient und dann auch als Ritter. Wenn einer weiß, wo in dem Palast noch was zu holen ist, dann er!«
»Zu holen wäre vor allem der Kopf des Grafen!«, rief Mathieu leidenschaftlich. »Dieser Verräter und Ketzerfreund, Weiberheld und Feigling!«
»Na, na, feige würde ich den Grafen aber doch nicht nennen!«, begütigte Rüdiger. »Hat er nicht etliche Schlachten geschlagen und gewonnen?«
»Und ob ich den feige nenne, Monseigneur!«, beharrte Mathieu wütend. »Kuscht vor den Worten einer Frau, flieht nach England, statt sich der Entscheidungsschlacht zu stellen.«
»Er ist ja jetzt wieder da«, meinte Hansi.
Dietmar beschäftigten andere Dinge. »Ihr habt wirklich am Hofe von Toulouse gelebt, Herr Mathieu?«, fragte er. »Am Minnehof der Herrin Leonor?«
Mathieu schnaubte. »Eine Lasterhöhle!«, behauptete er. »Wo man Ketzer empfing, Juden – und Mauren. Der Graf hielt sich eine arabische Hexe. Angeblich nur zum Sterndeuten.«
Die anderen lachten.
»War sie wenigstens schön?«, erkundigte sich einer seiner Mitstreiter anzüglich. »Lohnt es sich, ihr den Schleier abzureißen, wenn wir den Palast erobern? Man weiß ja nie, was sich bei den Sarazenenweibern darunter versteckt …« Der Mann war nicht mehr ganz jung und hatte offensichtlich Kreuzzugerfahrung im Heiligen Land.
»Die Hexen da sind alle schön!«, gab Mathieu zurück und füllte noch mal seinen Becher. »Da lohnt sich der Blick unter jeden Rock …«
Dietmar biss sich auf die Lippen. Man hatte ihn gelehrt, solch zotiges Gerede sei nicht ritterlich. Dieser Mann zog obendrein über den Hof einer spanischen Prinzessin her und mit der Schmähung der Maurin über eine enge Freundin seiner Mutter! Dietmar merkte, wie es in ihm kochte. Er hätte sich zurückziehen sollen. Aber andererseits – wenn Mathieu am Hof von Toulouse gedient hatte, musste er Sophia kennen.
»Da wir eben von Damen reden, Herr Mathieu«, sagte er steif. »Habt Ihr am Hof der Herrin Leonor ein Mädchen namens Sophia kennengelernt? Sophia von Ornemünde – goldblond und schön wie der Morgen …«
Mathieu unterbrach ihn lachend, bevor er mit der Beschreibung seiner Minneherrin fortfahren konnte.
»Die Ketzerhure? Freilich kenn ich die Herrin Sophia. Wenngleich sie sich jedem christlichen Ritter gegenüber spröde gibt. Der haben’s die Albigenser angetan.« Er grinste und machte eine eindeutige Geste.
Dietmar fuhr auf. »Dafür werdet Ihr mir Genugtuung leisten!«, sagte er wütend. »Sophia von Ornemünde ist meine Minneherrin. Ihre Tugend ist über jeden Zweifel erhaben, ebenso wie ihr Glaube. Das beweist auch, dass sie sich Euch gegenüber spröde zeigte!«
Mathieu grinste herablassend. »Ach was, Eure Minnedame? In Toulouse hatte sie nur Augen für Flambert de Montalban. Ein hübscher junger Mann, unbestritten. Ein Troubadour. Aber verderbt von der abscheulichen Lehre der Albigenser bis ins Mark.« Er erhob sich, als Dietmar keine Anstalten machte, sich wieder zu setzen. »Du willst dich nicht wirklich für sie prügeln?«, lachte er. »Glaub’s mir, sie ist es nicht wert, sie …«
Dietmar versetzte Mathieu einen Faustschlag, der ihn taumeln ließ. Die anderen Ritter zogen beide zurück, als sie nach ihren Schwertern griffen.
»Ich denke, hier haben alle ein bisschen viel getrunken«, begütigte einer der älteren – obwohl Dietmar vollkommen nüchtern war. »Ihr solltet erst mal darüber schlafen, bevor Ihr Euch gegenseitig fordert, um eines Mädchens willen, das den einen wohl verschmäht und dem anderen Hörner aufgesetzt hat.«
»Sophia hat …« Dietmar wand sich, aber Rüdiger und Hansi hielten ihn zwischen sich wie in einem Schraubstock.
»Du kommst jetzt mit!«, befahl Rüdiger. »Die Herren werden uns entschuldigen. Meinen jungen Freund hier tragen die Schwingen der Liebe – aber das soll ja das beste Stärkungsmittel sein, wenn man eine Stadt erobern will.«
Damit grüßte er lächelnd in Richtung der Ritter, die den nicht minder wütenden Mathieu im Klammergriff hielten. Die Nase des jungen Mannes blutete, und er lechzte sichtbar nach Genugtuung.
»Bist du nicht
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