Das Erbe der Pilgerin
Während Rüdiger den Angriff abwehrte, schoben sich Dietmar und Hansi zwischen die verängstigten Bauern und die anderen Kreuzfahrer. Binnen kürzester Zeit war ein Kampf im Gange, in dem die beherzteren Dorfbewohner den Rittern rasch mit Dreschflegeln und Knüppeln zu Hilfe kamen. Einigen von ihnen wurde das schnell zum Verhängnis. Die Knechte kämpften wütend, aber mit wenig Geschick, und sie waren leicht zu verletzen. Die wenigsten von ihnen besaßen auch nur ein Kettenhemd, geschweige denn eine vollständige Rüstung.
»Versucht, sie zu verprügeln, aber nicht umzubringen!«, rief Rüdiger seinen Mitstreitern zu, als Dietmar einem der Männer mit einem einzigen Hieb den Arm vom Körper trennte. »Wir wollen keine Schwierigkeiten …«
»Es scheint aber, als habet Ihr die schon!«
Als die herrische Stimme erklang, ließen die Edelknechte sofort die Waffen sinken. Ein großer, schlanker Ritter auf einem weißen Pferd, dessen Schild ein aufrecht gehender Löwe mit zwei gezackten Schwänzen zierte. Der Wappenrock des Ritters war weiß, nur geziert von einem großen Kreuz, das ihn als Streiter für seinen Glauben auswies.
»Wer seid Ihr, und warum hindert Ihr meine Männer, zu tun, was sie geschworen haben?«
»Hier stehen wohl verschiedene Eide gegeneinander, Herr!«, sagte Rüdiger kühl. »Mein Name ist Rüdiger von Falkenberg. Und wer seid Ihr?«
Der Ritter runzelte die Stirn. Er war im Gegensatz zu Rüdiger, Dietmar und Hansi voll gerüstet, hatte aber sein Visier geöffnet. Hinter ihm postierten sich vier voll bewaffnete Ritter.
»Mein Name ist Simon de Montfort – neben diversen anderen Titeln Vizegraf von Carcassonne und Béziers, Graf von Toulouse und Herzog von Narbonne.«
Rüdiger und die anderen verneigten sich – wenn auch nicht zu unterwürfig.
»So seid Ihr der Richtige, um hier zu schlichten«, führte Dietmar die Verhandlungen unbeeindruckt weiter. »Eure Männer wollten die gesamte Bevölkerung dieses Dorfes als Ketzer hinrichten, aber die Bauern und ihr Pfarrer behaupten, keine Albigenser zu sein.«
»Das stimmt, Herr!« Der kleine, aber offensichtlich mutige Priester schob sich mit seinem Kreuz zwischen die Ritter. »In diesem Dorf gab es nur drei Albigenser-Familien, aber die habt Ihr dem Feuer überantwortet, als Ihr uns schon einmal überfallen … als Ihr schon einmal eine Säuberung dieser Region vorgenommen habt. Wir hatten das Dorf gerade wieder aufgebaut. Jetzt gibt es hier nur Katholiken, der Bischof wird das bestätigen.«
Man brauchte dem Priester nur in das jetzt angstschweißbedeckte runde Gesicht zu blicken, um zu wissen, dass er die Wahrheit sprach. Ein Parfait der Katharer, der strengsten Fastenregeln unterworfen war, hätte es niemals zu einem Bauch bringen können, der unter einem Priesterrock spannte. Der kleine Priester zeigte auch keinerlei Neigung, sich aufzuopfern. Er war mutig, aber er hing doch zweifellos am Leben. Eher wäre da noch Simon de Montfort mit seinem strengen, hageren Gesicht und seinen kalten stahlblauen Augen als Asket und Märtyrer durchgegangen.
Jetzt schaute er zunächst den Priester, dann die drei Ritter böse an. »Und wer seid Ihr?«, fragte er Dietmar, »um Euch zu erdreisten, über meine Bauern zu richten?«
»Eure Bauern?« Dietmar runzelte die Stirn. »Gehören die nicht eher seiner Majestät, dem König von Frankreich? Die Grafen von Toulouse sind dem doch lehnspflichtig, oder?«
Rüdiger grinste. Eine geschickte Frage. Es war immer strittig, ob der stolze Adel Okzitaniens sich dem König unterordnete oder nicht. Aber Montfort konnte sich kaum leisten, dem König die Abgaben zu verweigern.
»Der Sohn des Königs begab sich erst vor Kurzem als Kreuzritter unter meinen Befehl!«, trumpfte Montfort auf.
Das stimmte. Und diente aus Sicht der Krone zweifellos dazu, den neuen Grafen von Toulouse im Auge zu behalten.
Dietmar lächelte. »Ja, Prinz Ludwig. Ich hatte die Freude, mit ihm am Hofe des Königs meine Schwertleite zu feiern. Der Prinz ist ein Ritter ohne Furcht und Tadel und ein sehr gerechter Mann. Ich glaube nicht, dass er es gutheißen würde, rechtgläubige Bauern abzuschlachten. Unser Freund Jean de Bouvines hier wurde übrigens persönlich von König zum Ritter geschlagen. Er steht ihm sehr nahe.«
Hansi versuchte, so würdig dreinzuschauen, als träfe er sich allwöchentlich mit dem König zum Schachspiel. Montfort blickte unwillig, aber ihm war anzusehen, dass er nachgab.
»Du kannst beweisen, dass du rechten
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