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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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nussbraun, was reizvoll von dem weizenblonden Haar abstach. Seine Augen waren von hellem Blau, sonst sicher sehr schön, aber jetzt von Panik erfüllt.
    »Bitte helft uns, bitte!«, rief die Kleine jetzt noch einmal.
    Dietmar brauchte keine weiteren Bitten. Fest entschlossen, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, ließ er sein Pferd über den zerstörten Zaun setzen. Rüdiger und Hansi blieb wieder nicht viel anderes übrig, als ihm zu folgen.
    »Na, hoffentlich ist die Übermacht nicht erdrückend«, rief Rüdiger seinem Freund zu, als ihre Pferde nebeneinander über den Zaun sprangen.
    Das Bild, das sich ihnen bot, passte zu ihren Erwartungen: Eine Gruppe Reiter schleifte ein Dorf nach allen Regeln der Barbarei. Es mochten etwa fünfzehn Männer auf Pferden sein, die hier Häuser in Brand setzten, Vieh aus den Ställen trieben und Schuppen und Zäune dem Erdboden gleichmachten. Vor allem aber trieben sie johlend die bäuerliche Bevölkerung zusammen, ohne Rücksicht darauf, dass die Menschen weinten, beteten und flehten. Ziel des Auftriebs war die schlichte Holzkirche im Zentrum des Dorfes. Ein kleiner, rundlicher Pfarrer stand davor und hielt den Eindringlingen mutig ein Kreuz entgegen.
    »Wir sind keine Ketzer! Bei Gott und allen Heiligen, so hört doch zu!«
    Eben das schienen die Männer absolut nicht vorzuhaben. Stattdessen freuten sie sich wohl schon auf das Massaker. An allen vier Enden der kleinen Kirche waren Männer mit Fackeln postiert.
    Dietmar, Rüdiger und Hansi erkannten mit einem Blick, dass es sich hier nicht um Ritter handelte – was auch das Mädchen gewusst zu haben schien. Rüdiger fragte sich kurz, woher sie ihr Wissen schöpfte. Für Adlige war der Unterschied leicht zu erkennen, da die Männer weder Wappen noch Helmzier trugen und auch nicht voll gerüstet waren. Die Leute, die hier wüteten, nannte man Edelknechte – Abkömmlinge adliger Familien, die zwar eigentlich das Anrecht auf einen Ritterschlag besaßen, deren Väter sich aber weder eine Feier zur Schwertleite noch ihre Ausstattung mit Streitross und Rüstung leisten konnten. Zumindest nicht für den zweiten und dritten Sohn, für den Erben kratzte man das Geld meist gerade noch zusammen. Die jüngeren verdingten sich dann als berittene Kämpfer, sofern sie irgendwie an ein Pferd kamen – wozu ein Kreuzzug wie der gegen die Albigenser natürlich ideale Bedingungen bot. Die meisten von ihnen waren verbittert und wütend auf Gott und die Welt und bereit, diese Wut auf jeden zu richten, der ihnen im Weg stand. Gräueltaten wie die hier geplante gingen sehr oft auf ihre Kappe. In der Regel waren sie jedoch keine starken und
    mutigen Kämpfer. Rüdiger schätzte kühl die Chancen der drei Ritter gegen die etwa fünfzehn Knechte ab, während Dietmar sich bereits dem Anführer entgegenstellte.
    »Was gibt Euch das Recht, dieses Dorf zu zerstören und diese Leute umzubringen?«, fragte er aufgebracht. »Sie behaupten, sie seien keine Ketzer!«
    Der Mann, ein kräftiger Bursche in Dietmars Alter, lachte. »Sagen können die vieles. Aber hier sind alle Ketzer und Verräter. Und was die Unterscheidung angeht: Da hat sich Abt Arnaud Amaury doch wohl klar ausgedrückt: Tötet sie alle – Gott wird die Seinen schon erkennen.«
    »Das tut er zweifellos!«, mischte Rüdiger sich ein. »Aber ich bezweifle, dass er sie vor ihrer Zeit vor seinem Thron sehen will. Wo kommt ihr überhaupt her? Wer ist euer Befehlshaber?«
    Dem Edelknecht passte es offensichtlich nicht, dass der Ritter ihn verächtlich duzte. Er richtete sich im Sattel auf und warf den Eindringlingen einen bösen Blick zu.
    »Wir sind Kreuzfahrer und stehen unter dem Befehl des Grafen Simon de Montfort. Es ist unsere edelste Pflicht, die Welt von Heiden und Ketzern zu befreien. Das haben wir geschworen, und das werden wir tun. Also verschwindet jetzt, und lasst uns unsere Arbeit machen!«
    Rüdiger schüttelte den Kopf. »Und ich habe geschworen, die Schwachen zu beschützen. Speziell Frauen und Kinder und die Priester der heiligen Mutter Kirche. Dafür wurden meine Waffen geweiht. Und heute werde ich nicht eidbrüchig werden, damit du und deine Kumpane sich erst am Tod der Leute verlustieren und dann ihr Geld und Gut rauben. Diese Menschen stehen von jetzt an unter dem Schutz der Ritterschaft. Zu der auch Simon de Montfort gehört. Wenn er etwas dagegen haben sollte, muss er es mir selbst sagen.«
    Der Anführer der Knechte zückte sofort sein Schwert und sprengte auf Rüdiger zu.

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