Das Erbe der Pilgerin
Und über zerbrochene Liebesbeziehungen weinte man erst recht nicht, die fanden offiziell schließlich gar nicht statt.
Sophia wusste, dass sie bezüglich Flambert de Montalban eine Entscheidung treffen musste – zumindest vorerst. Letztendlich würde es darauf hinauslaufen, dass der Graf dem jungen Ritter ein Ultimatum stellte. Wenn Flambert dann konvertierte, konnte er Sophia haben, wenn nicht, würde Raymond sich nach einem anderen Ehemann für sie umsehen. Ganz leicht würde das nicht werden bei einem Mädchen ohne Mitgift, und Sophia fürchtete panisch, irgendeinem Mann angetraut zu werden, den sie kaum oder gar nicht kannte. Womöglich einem alten oder hässlichen, jähzornigen und gewalttätigen. Flambert dagegen, das wusste Sophia, mochte sie – und wenn er wirklich ihretwegen konvertierte, so war dies ein gewaltiger Liebesbeweis. Als Katholik würde er auch mit ziemlicher Sicherheit den Titel des Vogtes von Montalban erben, egal ob unter Montfort oder Raymond de Toulouse – die Festung musste bemannt bleiben. Darüber hinaus standen Konvertiten hoch in der Gunst aller päpstlichen Legaten, Montfort würde keine Unterstützung dafür finden, das Lehen Montalban anderweitig zu vergeben. Vor Sophia läge ein ruhiges Leben auf einer eigenen Burg, mit einem freundlichen Gatten, der ihr überaus zugetan war. Sie musste von Sinnen sein, wenn sie das ablehnte!
Die junge Frau begann also wieder, sich mit Flambert zu treffen, zu reden und zu musizieren. Sie erlaubte ihm kleine Freiheiten, wie ihre Hand zu halten, und bei der einzigen, etwas größeren Kampfhandlung dieses Winters verabschiedete sie ihn auch mit einem Kuss auf die Wange, bevor er ausritt, um sich dem Angriff entgegenzuwerfen. Dietmar von Ornemünde beobachtete das mit brennenden Augen und wandte sich so schnell ab, dass er nicht einmal sah, wie tief Sophia gleich darauf errötete. Sie winkte Flambert lächelnd nach, nahm jedoch Dietmars Enttäuschung wahr, und sie empfand tiefen Schmerz und einen Anflug von Reue und Schuld bei seinem Anblick.
Und dann, eines Tages, stürzte Ariane in den Rosengarten, wo Sophia sich müßig damit beschäftigte, alte Blüten und Blätter von den Zweigen zu rupfen.
»Sophia, du musst kommen! Dein Ritter schlägt sich mit diesem Franken, diesem hübschen, blonden, mit dem du diesen Streit hattest …«
Sophia erschrak zu Tode und erbleichte. »Sie … schlagen sich? Aber … aber warum? Sie hatten doch keine Händel miteinander …«
Ariane schüttelte den Kopf. »Es ist kein echter Kampf, nur eine Übung.«
Der Graf und die anderen Befehlshaber der Truppe achteten streng darauf, dass die Ritter ihre Fertigkeiten nicht verloren. Meist übten sie an Übungsgeräten wie dem Rolandsgalgen oder wiederholten bestimmte Schläge mit Schwert oder Lanze immer wieder. Alle paar Tage ließen die Waffenmeister auch Paare im Tjost gegeneinander antreten. Das glich dann Turnierkämpfen und machte die Sache spannender für die beteiligten Ritter. Man kämpfte allerdings mit scharfen Waffen, hier waren schließlich keine Knappen am Werk, die man noch vor sich selbst schützen musste. Die Kämpfer durften mit ihren eigenen Schwertern antreten, ein erwachsener, erfahrener Ritter hatte zu wissen, wie man sie führte, ohne den anderen zu verletzen.
Diesmal hatte das Los Dietmar und Flambert zusammengeführt – ein fast unglaublicher Zufall bei der großen Schar von Kämpfern, aber die beiden drückten sich nicht. Und der Hof erwartete gespannt das Duell der Kontrahenten um die Gunst der Sophia von Ornemünde.
Sophia eilte Ariane nach. Sie war für die Gartenarbeit schlicht gekleidet, selbst Esclarmonde in ihrer von Ariane geerbten dunkelroten Tunika wirkte festlicher als die blonde junge Frau in ihrem grauen Kleid und den von der Gartenarbeit verschmutzten Händen. Dennoch machten ihr all die Knappen und Mädchen Platz, die sich auf dem Wehrgang der Burg versammelt hatten, um dem Kampf beizuwohnen. Sophia kam gerade recht, um mitanzusehen, wie die Ritter gegeneinander in die Schranken ritten und einander höflich grüßten, bevor sie die Visiere der Helme zuklappten. Ihre Gesichter zeigten keine Regung – dabei neigten sonst beide zu ausgeprägter Mimik.
Sophia zitterte, während die Männer auf das Zeichen des Waffenmeisters zum Anreiten warteten. Sie hatte keine Ahnung, welcher der zwei als stärkerer Ritter galt, aber Dietmar hatte immerhin ihren Vater getötet, und der war ein hervorragender Kämpfer gewesen. Über die
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