Das Erbe der Pilgerin
Kopf. »Nein … Nein. Und das ist … das ist auch besser. Euch hat ihr Zeichen Glück gebracht. Nicht mir …« Er stöhnte. »Wenn ich nur … ich hätte meinen Glauben für sie aufgegeben, doch auch das … war nicht recht. Ich werde … meine Seele wird nicht erlöst werden.«
Flamberts Kopf sank zur Seite. Dietmar fühlte seinen Puls und stellte fest, dass sein Herz noch schlug. Aber die Wunde im Unterleib … er glaubte nicht, dass Flambert dies überleben konnte. Allenfalls konnte man seine Seele retten …
»Rüdiger, die Albigenser haben doch Priester. Können wir einen herholen? Da gibt es sicher so etwas wie die Letzte Ölung, oder? Er fürchtet um seine Seele …«
Dietmar wandte sich hilflos an seinen Oheim. Der Graf von Foix und seine Ritter hielten die Feinde auf Abstand, Rüdiger hatte Zeit, nach dem Befinden des Verletzten zu sehen.
»Du meinst, er stirbt?«
Dietmar nickte. »Und er wünscht sich einen Priester. Was können wir tun?«
Für Katholiken war die Sache einfach. Meist gab ihnen irgendein mitkämpfender Bischof schon vor der Schlacht die Absolution.
Rüdiger schüttelte den Kopf. »Auf dem Schlachtfeld gibt es keine Parfaits – sie kämpfen nicht«, schöpfte er aus dem geballten Wissen über die Religion der Albigenser, mit dem Geneviève ihn seit Monaten versorgte. »Eigentlich sollten Bonhommes überhaupt nicht kämpfen, also ist an geistliche Betreuung von Kriegern nicht gedacht.«
»Aber es gibt so was, nicht? Wir müssen Flambert nur in die Stadt bringen.«
Rüdiger nickte. »Wenn wir das schaffen und er noch mal zu Bewusstsein kommt, kann er auf dem Sterbebett das Consolamentum nehmen. Das macht ihn zum Parfait, er geht dann mit reiner Seele in den Tod.«
Dietmar seufzte. »Dann lass es uns versuchen. Bitte fang mein Pferd ein, ich nehme ihm die Rüstung ab.«
»Du willst ihn aufs Pferd nehmen?«, fragte Rüdiger. »Mitten in der Schlacht?«
»Wenn ihr mir Deckung gebt … Frag den Grafen, ob er es tut. Bitte. Er … er … Ich könnte an seiner Stelle sein.« Dietmar senkte den Blick.
Rüdiger sprengte davon, um gleich darauf mit Gawain wiederzukommen. Der Schlachtenlärm um sie herum war abgeebbt, wie es aussah, zogen sich die Heere zurück – wieder einmal, ohne irgendetwas ausgerichtet zu haben. Dietmar überlegte bitter, dass all die Männer für nichts gestorben waren. Aber für sein Vorhaben waren die Bedingungen gut. Sein Hengst blieb ruhig, als Rüdiger ihm den Sterbenden über den Sattel legte. Flambert stöhnte schwach, aber er blieb ohne Bewusstsein. Der Graf von Foix, Rüdiger und ein paar andere Ritter gruppierten sich zum Schutz um Dietmars Pferd.
Flambert war beliebt im Heer von Toulouse. Jeder war willig, ihm diesen letzten Dienst zu leisten, und offensichtlich machte sich auch keiner Gedanken darüber, dass sie ihm damit zur Krönung seines Ketzertums verhalfen: der Weihe zum Parfait.
Geneviève und Sophia hatten die Kämpfe vom Söller des Château Narbonnais verfolgt – was nicht ganz ungefährlich war. Montfort benutzte Katapulte, die manchmal Stücke der Stadtmauer oder Burgbefestigung herausrissen, und Menschen kamen um. Aber die beiden jungen Frauen nahmen das Risiko auf sich – obwohl es zuvor zu scharfen Wortgefechten zwischen ihnen gekommen war. Geneviève stellte Sophia wegen des Eheversprechens mit ihrem Bruder zur Rede – und natürlich ging es darum, wer nun für wen konvertierte. Geneviève war entsetzt darüber gewesen, dass es Flambert sein sollte und machte Sophia heftige Vorwürfe. Aber all das war vergessen, als sie den Ritter fallen sahen. Nun liefen sie herunter zum nächstgelegenen Stadttor, um Dietmar und die anderen in Empfang zu nehmen. Da Flambert nicht der einzige Verwundete war, standen etliche Männer mit Tragen bereit, um die Kämpfer zu versorgen. Nach der Schlacht würden sie ausschwärmen und auf dem Feld nach schwerer Verletzten suchen. Zwei Helfer hoben Flambert vom Pferd, Dietmar glitt nach ihm herunter – und fand sich direkt Sophia gegenüber.
»Ich habe ihn Euch zurückgebracht«, sagte er leise. »Ich will nicht, dass Ihr denkt, ich … ich töte all die Männer, die Euch lieben. Ich müsste mich dann auch zuerst selbst töten. Denn niemand liebt Euch so wie ich …«
Und dieses Mal war er es, der sich abwandte, bevor Sophia etwas erwidern konnte.
Kapitel 8
W ir brauchen einen Parfait!«, erklärte Rüdiger den Umstehenden, noch während Flambert auf die Trage gebettet wurde. »Der Ritter möchte das
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