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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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habe Euren Vater besiegt, aber ich habe ihn nicht getötet. Ich konnte es nicht … ich hätte Euch nie wieder in die Augen sehen können …«
    Dietmar erzählte ihr alles, und Sophia lauschte gebannt seinen Worten. Sie erwiderte nichts, lehnte nur den Kopf an seine Schulter. Sie beide hatten in dieser Nacht keinen Sinn für Tändeleien und höfische Rede. Hier auf der Küchentreppe waren sie keine Liebenden, sondern Freunde, sie teilten etwas, das sie nie mit anderen Männern oder Frauen geteilt hatten, und beide wussten, dass es sie tiefer verband als jeder Kuss.
    Schließlich zog Dietmar das Medaillon aus seinem blutigen Wams. »Wollt Ihr … willst du … es jetzt wieder tragen?«, fragte er leise.
    Sophia schüttelte den Kopf. »Nein. Es gehört … deiner Mutter. Und es würde mich immer daran erinnern, dass sie … sie wird nicht mit uns in Lauenstein leben, nicht wahr?«
    Dietmar verneinte. »Sie muss zurück nach Loches. Ich habe zwei jüngere Geschwister.«
    »Dann ist es gut«, sagte Sophia. »Du kannst mir irgendwann etwas anderes schenken. Aber du … du musst das hier wieder nehmen.« Sophia suchte in ihren Kleidern und fand schließlich das verschlissene grüne Band. Ihr Zeichen. »Es hat dir doch Glück gebracht …«
    Salomon von Kronach fand die beiden Stunden später, eng aneinandergeschmiegt und in tiefem Schlaf. Ihr Anblick rührte ihn, sie wirkten so jung, wie Kinder, die sich verirrt und wiedergefunden hatten. Es tat ihm leid, sie zu wecken, aber irgendjemand musste sich um Geneviève kümmern, und jetzt, da die Sterne hell über der Burg und dem blutigen Schlachtfeld standen, war Miriam beim Grafen unabkömmlich. Also berührte er sanft Sophias Schulter.
    Die junge Frau verstand sofort.
    »Flambert ist tot?«, fragte sie, während Dietmar noch Schwierigkeiten zu haben schien, in die Wirklichkeit zurückzufinden.
    Der Medikus nickte. »Und es war nicht leicht. Er nahm das sehr ernst mit dem Consolamentum, er hat keinen Schluck Wasser mehr zu sich genommen. Als das Mittel dann aufhörte zu wirken … Er war sehr tapfer, Sophia. Aber Ihr solltet jetzt nach Geneviève sehen. Sie war bis zuletzt bei ihm. Und ich glaube, sie zweifelt nun an ihrem Glauben.«

Kapitel 9
    E s gab auch nach dieser Schlacht kaum Zeit, die Toten zu betrauern. Simon de Montfort schien nach wie vor fest entschlossen, die Belagerung von Toulouse zu einem Ende zu bringen, und ließ schwere Kampfmaschinen anfahren, doch mit Miriams Hilfe gelang es den Verteidigern von Toulouse, den Aufbau der Katapulte zu verzögern. Die Ritter waren allerdings fast ununterbrochen im Einsatz, und natürlich gab es weitere Verluste.
    Sophia kümmerte sich um Geneviève, die seit Flamberts Tod völlig verstummt war. Sie sprach nicht über die letzten Stunden ihres Bruders – nur als eine Nachricht von ihrem Vater eintraf, der bei aller Trauer doch Freude darüber äußerte, dass Flamberts Seele Befreiung gefunden hatte, reagierte sie mit einem hysterischen Anfall. Rüdiger bat, Geneviève sehen zu dürfen, aber sie wollte mit niemandem Kontakt und verkroch sich in ihrer Kemenate.
    Dietmar und Sophia liefen mit verklärten Gesichtern umher, kamen sich aber nicht näher. Es schien, als hätte ihre verzauberte Nacht nur in ihren Träumen stattgefunden, und nun hatte einer Angst, den anderen daran zu erinnern. Wenn sie einander zufällig trafen, lächelten sie sich zu, aber sie berührten sich nicht.
    »Folgt sie ihm denn jetzt nach Lauenstein oder nicht?«, fragte Rüdiger übel gelaunt.
    Er war in den letzten Tagen ständig schlechter Stimmung, Geneviève fehlte ihm, und die Unsicherheit über ihre Gefühle machte ihn fahrig und unaufmerksam. Rüdiger erwartete ein baldiges Ende der Belagerung, dann würde sich auch Geneviève entscheiden müssen. Für ihn oder für das Consolamentum. Für das Leben oder für den Tod.
    Salomon zuckte die Achseln. Er hatte die Mangonels noch einmal inspiziert, in deren Anwendung Rüdiger und Hansi jetzt junge Toulouser schulten. Beide kannten sich ein wenig mit Belagerungsmaschinen aus, sie waren weiland im Heer Richard Löwenherz’ für die deutschen Söldner verantwortlich gewesen, welche die Katapulte bedienten. Jetzt hatten Miriam und Salomon sie in die etwas andersartige Technik der Mangonels eingewiesen – aber die Konstrukteure der Maschinen und vor allem Abram, der die Möglichkeiten der kleinen Geschütze am Modell erprobt hatte, waren immer noch unzufrieden mit der Zielgenauigkeit.
    »In jener Nacht

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