Das Erbe der Pilgerin
schienen sie einander einig«, kommentierte Salomon schließlich die Beziehung zwischen Sophia und Dietmar. »Aber es ist natürlich schwierig. Sie kann dem Hof nicht drei Tage nach Flamberts Tod einen neuen zukünftigen Ehegatten präsentieren. Was ist nun mit den Belagerungsmaschinen, Herr Abu Hamed? Können wir irgendwas verbessern?«
Abram zog die Augenbrauen hoch. »Sehhilfen für die Schützen? Die Mangonels sind perfekt – Herr Gérôme de Paris. Aber die Leute geben sich wenig Mühe. Zurzeit reicht es noch, einfach in die Menge zu schießen, wenn Montfort jedoch dieses Katapult da unten endlich aufgebaut kriegte …«, er wies auf eine gewaltige Belagerungsmaschine, groß wie ein Kirchturm, »… dann wäre es sehr gut, es mit ein paar Schüssen gezielt zu erledigen.«
Hansi nickte. »Das sieht bloß keiner ein«, meinte er. »Sie üben auch einfach nicht. Wir haben jetzt eine der Mangonels am Tor von Montoulieu postiert. Von da aus kann man auf Montforts Zelte schießen, ein paar Treffer würden das ganze Heer in Aufruhr bringen, gerade die Befehlshaber mit ihren Luxusbehausungen. Aber nein, da zielen meine Herren Ritter gar nicht erst hin. Das wäre ja ›unritterlich‹. Und wenn sie’s doch versuchen, treffen sie daneben. Neulich in einen Pferdepferch – was nun wirklich unritterlich ist, es tat mir auch sehr leid …«
Abram seufzte. »Dann können wir nur auf ein Wunder hoffen …«
»Aber immerhin kriegen wir Verstärkung!«
Hansi blieb halbwegs optimistisch. Und tatsächlich marschierte Raymondet, der Sohn des Grafen, mit seinem Heer auf die Stadt zu. Er würde sich durch die Belagerungslinie kämpfen und in Toulouse einziehen.
Abram nickte. »Die anderen leider auch. Der Graf von Soissons nähert sich mit neuen Truppen – Miriam enthüllt das gerade Raymond, trotz des wolkenverhangenen Himmels gestern … Dem Himmel sei Dank für meinen ängstlichen Priester im Tross von Montfort. Ich fürchte ja jeden Tag, der Kerl könnte fallen, schließlich hätte ich ihn schon bei seinem ersten Kampf fast umgebracht, aber jetzt ist er wohl vorsichtig.«
»Und wenn der Graf klug ist, schickt er gleich einen Boten zu seinem Sohn. Der soll die nachrückenden Truppen angreifen und möglichst aufreiben. Dann haben wir die nicht mehr am Hals.« Rüdiger streichelte fahrig über das Holz der Mangonel. Im Gegensatz zu Hansi schätzte er die Kriegsmaschinen nicht – er bewährte sich lieber Mann gegen Mann. Aber das turmhohe Katapult Montforts machte ihm himmelangst.
»Wir werden das Ding zerstören!«, verkündete Graf Raymond ein paar Tage später, am 24. Juni, seiner im großen Saal des Château Narbonnais versammelten Ritterschaft. Sein Sohn war eingetroffen, und die beiden hatten Kriegsrat gehalten. »Daran geht kein Weg vorbei. Wenn sie diese Maschine in Gang setzen, zerschießen sie uns die Mauern. Und nicht nur das, der Turm gibt ihnen obendrein Deckung. Sie können ihn immer näher an die Stadt heranschieben und das ganze Viertel zerstören.«
»Also ein Ausfall?«, fragte Rüdiger.
Der Graf nickte. »Gleich morgen. Wir greifen sie an und legen Feuer an das Ding. Ja, ich weiß, Herr Rüdiger, Ihr würdet es lieber in Stücke schießen. Aber sehen wir den Tatsachen ins Gesicht: Eure Verteidigungsmaschinerie trifft nicht. Und sie schießt nicht weit genug, woran immer das nun liegt. Meine Sterndeuterin liegt mir damit auch in den Ohren, aber ich kann mich nicht darauf verlassen, dass Ihr das Problem löst, bevor Montfort seinerseits schießt. Er ist kurz davor. Morgen machen wir der Sache ein Ende.«
Sophia wartete auf der untersten Stufe der Küchentreppe. Sie hatte sich in den dunklen Mantel der Maurin gehüllt, aber sie zitterte trotzdem vor Angst und Erregung. Die Stimmung auf der Burg war angespannt wie immer vor einer Schlacht. Die Ritter tranken – oft zu viel, und die Küchenmägde waren vor ihren Nachstellungen nicht sicher. Die Maurin hatte den Mädchen streng verboten, ihre Kemenaten zu verlassen. An einem solchen Abend vergaßen viele Männer ihre höfischen Manieren zugunsten ungezügelter Lust. Es mochte schließlich ihre letzte Nacht auf dieser Welt sein. Wer wollte da noch Balladen vor dem Fenster seiner Liebsten singen?
Sophia hatte sich trotzdem heimlich aus ihrem gemeinsamen Zimmer mit Geneviève geschlichen – der das gar nicht aufgefallen zu sein schien. Sophia machte sich inzwischen ernsthafte Sorgen um die Freundin. Und natürlich fürchtete sie sich um Dietmar. Er würde
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