Das Erbe der Pilgerin
Geneviève leise, und ihre Augen wurden wieder feucht. »Ich habe Simon de Montfort getötet …«
»Aber das haben wir doch gemeinsam getan!«, tröstete Sophia. »Das fällt nicht auf dich zurück. Und überhaupt: Er war eine Ratte …« Ihre Augen blitzten – Sophia kämpfte ebenso wenig mit Schuldgefühlen wie Miriam und Esclarmonde.
Geneviève lächelte unter Tränen. »Einer Parfaite ist es auch verboten, eine Ratte zu töten.«
Rüdiger holte tief Luft. »Liebste«, sagte er dann. »Falkenberg ist voll von Mäusen und Ratten. Von mir aus kannst du die alle füttern und den Katzen predigen, der Jagd zu entsagen. Du kannst gern all deine Gebote einhalten. Nur nicht das mit der fleischlichen Liebe … Aber das hat sich ja wohl ohnehin erledigt.«
Miriam lachte und küsste die junge Frau zum Abschied. »Der Ewige wird Euch verzeihen!«, erklärte sie fest. »Nach dem, was er uns schon alles verziehen hat …«
Salomon blickte seinem Neffen und dessen Gattin nach, als sie ihren bunten Planwagen aus der Festung herauslenkten. »Irgendwann«, der Medikus seufzte, »werden sie seine Geduld überspannen …«
D AS L ÄCHELN G OTTES
Lauenstein
Winter 1218 bis Frühling 1219
Kapitel 1
G erlin von Lauenstein konnte sich nicht helfen, aber langsam entwickelte sie einen Hass auf Sophia von Ornemünde. Nun war das natürlich ungerecht, die junge Frau war sicher das tugendhafte, minnigliche Geschöpf, als das es ihr jeder schilderte, der Sophia je getroffen hatte. Aber diese unselige Brautfahrt hielt Dietmar nun seit drei Jahren von seinem endlich rückeroberten Lehen fern – und Gerlin von ihrem eigenen Heim in Loches. Letzteres hätte sie natürlich verkraftet. Ihre jüngeren Kinder waren beide am Hof des Königs von Frankreich und schrieben fröhliche Briefe. Es ging sowohl Richard als auch Isabelle gut. Und auch die Verwaltung der Güter fiel Gerlin leicht, denn die Bauern und Lehnsleute waren ihr durchweg freundlich gesinnt. Auf der Burg selbst jedoch fand sie keinen Frieden – und das verdankte sie Sophia, oder besser gesagt deren Mutter, die sie nur um Sophias willen duldete.
Luitgart genoss ihren Witwensitz auf der Burg – Gerlin hatte fast das Gefühl, ihre alte Feindin lebe auf, jetzt, da sie wieder Intrigen spinnen konnte. Wie erwartet hatte Rolands Witwe sich unter die Munt ihres Bruders gestellt, der keinerlei Interesse hatte, Einfluss auszuüben. Luitgart machte also, was sie wollte. Sie hielt Hof in ihrem kleinen Haus, als handle es sich um einen Palast, und es war erstaunlich, wie viele Ritter sich noch am Hof der Frau einfanden, die doch keinerlei Mitgift mehr in eine eventuelle Ehe bringen konnte. Nun war Luitgart immer noch schön, aber das allein reichte eigentlich nicht, um Fahrende Ritter für sich zu interessieren. Gerlin argwöhnte also, dass sie den Männern mehr versprach als nur Liebe – sie war schließlich immer noch die Witwe des früheren Burgherrn. Zweier früherer Burgherren sogar, Gerlin war sich nicht ganz klar, auf welche ihrer früheren Ehen sich die möglichen Hoffnungen der Ritter bezogen. Wobei Luitgarts Ansprüche als Hinterbliebene von Dietmars Großvater ja noch einen Hauch von Legitimität aufwiesen, während Roland nur ein Usurpator gewesen war.
Wie auch immer: Dietmar war fern, und er lebte in Okzitanien nicht gerade ungefährlich. Wer wusste, was Luitgart sich ausrechnete, wenn er womöglich im Heer des Grafen von Toulouse fiel?
Sehr bald wurde Gerlin dann allerdings klar, dass ihre alte Feindin noch viel perfidere Pläne hegte. Luitgart war natürlich zu Ohren gekommen, dass Dietmar für Toulouse kämpfte – und sie hatte nichts Besseres zu tun, als dies unter all seinen bisherigen Gönnern zu verbreiten. Wie erwartet waren weder der französische noch der deutsche König begeistert davon, dass sich der Lauensteiner auf die Seite der Albigenser schlug! Besonders Philipp August war in den Kreuzzug involviert und schickte Montfort Truppen. Dass die sich nun mit einem Ritter herumschlagen sollten, den der König ausgebildet und ausgezeichnet hatte, gefiel ihm keinesfalls. Fahrenden Rittern sah man solche Seitenwechsel zwar nach – die mussten sich schließlich verdingen, wo immer man sie aufnahm –, aber ein Dietmar von Ornemünde? Die Bischöfe von Mainz und Bamberg nahmen die Nachricht noch viel ungnädiger auf, und Gerlin stand immer wieder vor dem Problem, irgendeinen Würdenträger beschwichtigen zu müssen.
»Diese Schlange!«, erregte sich Gerlin
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