Das Erbe der Pilgerin
die Gemahlin Raymondets. Die Mädchen von Toulouse werden aufatmen, wenn die beiden wieder ihre Hand auf ihre Gatten halten.«
Es dauerte dann aber noch fast zwei Wochen, bis Rüdiger kräftig genug war, seine Braut in den Kreis der Ritter zu führen. Man feierte die Doppelhochzeit gleichzeitig mit der Rückkehr der Gräfin. Die Herrin Leonor segnete die Verbindungen zwischen Rüdiger und Geneviève sowie Dietmar und Sophia unbeschränkt – war sie doch hocherfreut, sich gleich zweier Favoritinnen ihres Gatten entledigen zu können und noch einer möglichen dritten mit Esclarmonde. Sie beschenkte denn auch beide Bräute reich und ebenso Sophia. Auch Letztere hätte Leonor gern gleich in Toulouse verheiratet, verstand aber, dass sie und Dietmar die Ehe lieber auf Lauenstein schließen wollten.
»Wie schön, ihr werdet beide eure Mütter dabeihaben!«, freute sie sich für Dietmar und Sophia, die diesem Umstand eher mit gemischten Gefühlen entgegenblickten. »Und die Verbindung wird Frieden stiften zwischen den beiden Zweigen der Familie Ornemünde. Ein wirkliches Glück, Sophia, Herr Dietmar …«
Leonor bestand auch darauf, die Brautpaare einzukleiden, was Hansi gern annahm. Wenn er sein Lehen erst mal in Besitz nahm, würde auch er zu Geld kommen, vorerst hätte er Esclarmonde allerdings niemals das reinseidene lichtblaue Unterkleid mit blumenbesticktem Saum und die azurblaue Surcotte aus sündhaft teurem Brüsseler Tuch kaufen können. Die Mädchen brachten Stunden damit zu, Esclarmondes feines blondes Haar mit Ei zu waschen und mit Rosenwasser zu spülen, bevor sie es bürsteten und mit einem Kranz aus frischen Blüten, den Ariane geflochten hatte, schmückten. Die Locken umgaben das kleine Gesicht des Bauernmädchens wie ein Heiligenschein, und in ihrem Festtagsstaat sah sie wirklich aus wie eine auf einer Blüte tanzende Elfe. Hansi, der eine Tunika aus dem gleichen Stoff trug sowie einen pfauenfederngeschmückten Hut, schaute völlig verklärt auf seine wunderschöne Braut.
Geneviève dagegen sorgte für einen Eklat, indem sie sich weigern wollte, das karminrote Kleid zu tragen, das die Gräfin für sie ausgewählt hatte. Sie wollte in einem schwarzen Gewand in den Kreis der Ritter treten – schließlich trauerte sie noch um ihren Bruder.
»Diese junge Frau trauert ständig um irgendwas!«, erregte sich die Gräfin, als Sophia vorsichtig versuchte, ihr Genevièves Haltung verständlich zu machen. »Aber nicht am Tag ihrer Hochzeit – da wird sie ihre Schönheit zeigen. Sie sollte sich ja wohl auch freuen an ihrem Fest und ihrem Ritter – den hat sie sich schließlich selbst ausgesucht, also wird sie nun gefälligst glücklich sein!«
Die spanische Prinzessin sah aus, als neide sie der jungen Frau dieses Privileg. Ihr Raymond hatte wohl schon am Tag der Hochzeit nach anderen Frauen ausgeschaut.
Rüdiger tat das natürlich nicht, er hatte nur Augen für seine wunderschöne Braut – auch wenn Geneviève nicht strahlte wie Esclarmonde und ihre Brautjungfern, sondern ernst und gefasst dreinsah. In ihrem Gesicht stand die Sorge um Rüdiger, der blass und mitgenommen wirkte und den Arm auch noch in einer Schlinge trug. Der junge Ritter hatte sich ihren Wünschen so weit als möglich gefügt und sich festlich, aber bescheiden gekleidet. Er trug ein dunkelblaues Gewand und hielt sein Haar mit einem schlichten Goldreif über einer ebenfalls blauen Kappe zurück. Auch Geneviève hatte aufwändigen Kopfschmuck abgelehnt. In ihrem prächtigen schwarzen Haar leuchtete nur ein schmaler goldener Schepel.
»Dabei hätte man so wunderschön Perlenschnüre hineinflechten können«, meinte Ariane bedauernd zu Miriam, schien aber nicht zu unglücklich darüber zu sein.
Je unscheinbarer die Mädchen um sie herum waren, desto strahlendere Blicke schenkte ihr schließlich ihr junger Ritter Bernard. Ariane mochte die nächste Braut im Kreis dieses Hofes werden, Bernards Vater und der ihre standen in entsprechenden Verhandlungen.
Miriam nickte unkonzentriert. Sie hatte gründlich genug davon, die Maurin zu spielen, aber das würde nun ja auch bald ein Ende haben. Der Graf ließ sie zwar ungern ziehen, aber er ergab sich in sein Schicksal und hatte seine Sterndeuterin bereits reich beschenkt. Abram hatte die Preziosen umgehend zu Geld gemacht, und sie warteten jetzt nur noch auf die Fertigstellung ihres bunt bemalten Gauklerkarrens und ihrer Kostüme – prächtiger Roben, bestickt mit Sonnen, Monden und Sternen.
»Schon
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