Das Erbe der Pilgerin
dunkelroten Tunika, die sein goldbraunes, noch kaum mit grauen Strähnen durchwirktes Haar und seinen vollen blonden Bart betonte. Roland war von kräftiger Gestalt – und obwohl er Wein und Bier gern zusprach, hatte er sich die Muskeln und das Kampfgeschick früherer Jahre bewahrt. Er konnte es kaum erwarten, am kommenden Tag im Turnier gegen jüngere Ritter anzutreten. Sein Gesicht war kantig, von einigen Falten durchzogen und wies auch die eine oder andere Narbe auf. Aber seine blauen Augen blitzten scharf, und sein Gesicht war nicht aufgedunsen wie das vieler seiner Trinkkumpane. Roland stand in der Blüte seiner Jahre, und er war da, um dies zu zeigen! Lauenstein war in guten Händen – er würde es besser verteidigen können als jeder andere. Auch wenn es der Sohn des früheren Grafen inzwischen zum Ritter gebracht haben sollte.
Roland spielte mit den Ringen an seinen behandschuhten Händen. Luitgart hatte ihn gedrängt, sich zu schmücken, um Lauensteins Reichtum zu zeigen, aber Roland war da lieber zurückhaltend. Je mehr Geschmeide man dem Bischof zeigte, desto eher wuchsen dessen Begehrlichkeiten. Roland hatte keine Lust, in Zukunft noch mehr Steuern zu entrichten! Also hatte er außer den zwei Ringen nur eine schlichte Kette reinen Goldes angelegt, die über seiner Tunika hing und ihren feinen Seidenstoff betonte. Wenn ihm nur etwas wärmer wäre …
Roland sehnte sich nach einem heißen Würzwein – und wusste auch schon, mit wem er trinken würde. Er hatte Raymond de Toulouse vor der Krönungsmesse nur kurz gesehen, aber die Ritter waren sich gleich mit dröhnendem Lachen in die Arme gefallen. Es war lange her, dass es Roland als Fahrenden an den Hof von Toulouse verschlagen hatte, wo er dann gemeinsam mit dem Erben Raymond gegen Sancho von Navarra kämpfte. Er hatte sich damals ein Lehen in Südfrankreich erhofft, aber der Versuch, verlorengegangene Provinzen des Grafen zurückzuerobern, schlug fehl. Roland war schließlich weitergezogen – und hatte letztendlich Lauenstein für sich entdeckt und annektiert. Raymond hatte sein Erbe angetreten und focht seine eigenen Schlachten – er würde viel zu erzählen haben! Roland freute sich ehrlich über das Wiedersehen mit dem alten Kampf- und Trinkkumpan. Wenn diese Messe nur endlich vorbei wäre!
Rolands Blick streifte Raymond, den dieser impertinente Bischof ebenso in eine eher abgelegene Kirchenbank verdammt hatte wie ihn selbst, und wanderte dann weiter zu den Würdenträgern im Hauptschiff der Kirche. Der französische Erbe. Ludwig. Viel konnte nicht mit ihm los sein, große Kämpfe hatte er noch nie ausgefochten. Allerdings war er schon als Diplomat aufgetreten, das französisch-staufische Bündnis, das diese Krönung erst möglich machte, war wohl sein Verdienst. Und eine beachtliche Eskorte! Roland kniff die Augen zusammen, als er einen hochgewachsenen blauäugigen jungen Mann mit rotblondem Haar unter den Rittern des Königs entdeckte: Rüdiger von Falkenberg.
Sieh an, dachte Roland, mein ehemaliger Knappe – verräterisch bis ins Mark! Roland hätte den Bruder Gerlin von Lauensteins niemals als Schüler annehmen sollen, aber Rüdiger hatte seine Rolle als sein Freund und Bewunderer gut gespielt. Und war letztendlich mit dafür verantwortlich, dass seine Schwester zusammen mit Dietrichs Erben entwischt war! Roland knirschte mit den Zähnen – es war besser, den Ritter nicht zu fordern, es wäre nicht klug, Aufsehen zu erregen. Aber vielleicht war ihm ja das Losglück hold, und er stand Rüdiger am nächsten Tag beim Turnier gegenüber!
Bei den jüngeren Rittern des Franzosen stand ein junger Mann, der Roland ebenfalls bekannt vorkam. Allerdings verband er nicht gleich einen Namen mit dem schmalen Gesicht und dem blonden Haar. Irgendwie passte dessen Gestalt auch nicht in Rolands Erinnerung … dies war ein sehniger und muskulöser Jüngling, während sich vor Rolands inneres Auge eher ein schmächtiger, blasser Knabe schob … Dietrich von Lauenstein … Roland vertrieb die Erinnerung an seinen entfernten Verwandten. Er musste sich keine Vorwürfe machen, Dietrichs Blut klebte nicht an seinen Händen, der Junge war an einer Krankheit verstorben … Dieser junge Ritter sah ihm ein wenig ähnlich. Vielleicht war es sogar nur das Schmuckstück um seinen Hals, das Rolands Erinnerung narrte. Er meinte, das Medaillon schon einmal gesehen zu haben. Am Hals einer Frau? Dietrich von Lauenstein hatte es auf jeden Fall nicht gehört, da war er sich
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