Das Erbe der Pilgerin
auch Ludwig, den er sicherheitshalber noch mal danach fragte, schüttelte den Kopf.
»Wenn sie so eine Lichtgestalt ist, wie Ihr sie schildert, Herr Dietmar, wäre sie mir aufgefallen!« Der Prinz grinste. Er hegte größtes Interesse an schönen Frauen, seine junge Frau, die Prinzessin Blanca, genügte ihm nicht immer. »Aber ein ganz junges Ding mit langem, glattem goldenen Haar … in Begleitung der Eltern … Nein, sie war sicher nicht im Saal. Aber das könnt Ihr eigentlich auch nicht geglaubt haben. Sie kann nicht zu den wichtigsten Familien im Reich oder auch nur im Bistum gehören, wenn sie der Messe in der hintersten Marienkapelle beiwohnen musste.«
Dietmar nickte. Der Prinz hatte natürlich Recht, er hätte sich das denken können. Aber das Denken fiel ihm gerade ungewohnt schwer.
»Ich muss sie wiedersehen«, sagte er verzweifelt.
Der Prinz lachte. »Das werdet Ihr schon«, tröstete er. »Morgen beim Turnier. Sie wird nicht gleich beim König sitzen, aber doch in einem der Pavillons, die sie für die Damen aufgestellt haben. So viele können das gar nicht sein, es wimmelt ja nicht gerade von jungen Mädchen bei diesem Fest. Und auf Turnieren schon gar nicht, da sind sie doch froh, wenn ein paar Frauen ausharren und die Sieger küssen.« Ludwig zwinkerte Dietmar zu, der schon wieder errötete.
»Ihr meint … sie wird … Ich werde morgen kämpfen!«
»Das werdet Ihr«, meinte der Prinz, und es klang beinahe ein wenig neidisch. Er selbst durfte nicht in die Schranken reiten, sein Vater hatte ihn bei seiner Schwertleite schwören lassen, dass er niemals im Rahmen eines Turniers kämpfen würde. Kriegszüge würden sich auf Dauer nicht vermeiden lassen, aber König Philipp wollte auf keinen Fall riskieren, dass sein Sohn und Erbe bei einem Unfall im Kampfspiel sein Leben ließ. »Ihr könnt sie beeindrucken, Herr Dietmar! Also schärft schon mal Eure Lanze!«
Der Prinz machte eine obszöne Geste und erntete einen wütenden Blick aus Dietmars leuchtend blauen Augen.
»Sire, ich bitte doch um etwas mehr Achtung vor meiner Dame!«
Ludwig wollte sich vor Lachen ausschütten. »Ihr habt noch kein Wort mit ihr gesprochen, aber Ihr würdet schon Euren Prinzen für sie fordern!«, neckte er seinen Waffengefährten. »Wenn’s das nicht ist, was man Minne nennt!«
Roland von Ornemünde war regelrecht erbost, als die erhoffte Einladung zum Bankett des Bischofs nicht erfolgte. Jetzt, da man ihn in der Kirche immerhin geduldet hatte – wenngleich die ihm angewiesenen Plätze natürlich einer Beleidigung gleichkamen –, hatte er doch fest damit gerechnet, an die Tafel des Königs gerufen zu werden. Zumal Friedrich wohl gern die Gesichter schöner Frauen sah, wie ihm zugetragen wurde. So gut wie alle anderen Burgherren aus dem Bistum Mainz, die mit Frauen und Töchtern gekommen waren, durften zumindest an weniger wichtigen Tischen im Saal Platz nehmen. Raymond de Toulouse blieb allerdings auch außen vor. Der Bischof hatte sich inzwischen darüber kundig gemacht, dass er gerade wieder mal unter dem Kirchenbann stand. Es traf ihn zum zweiten Mal, beim ersten Mal hatte er die Aufhebung erwirkt, indem er sieben Burgen der Provence auf den Namen der Kirche überschrieb. Dieses Mal traf es ihn wegen der Unterstützung der Albigenser. Der Bischof ärgerte sich maßlos über Raymonds Frechheit, trotzdem zur Krönung zu erscheinen. Nun konnte er ihm die Teilnahme am Turnier nicht verweigern, aber das Bankett fiel für ihn aus.
Roland und Raymond ertränkten ihren gemeinsamen Ärger in einer Schenke im Zeltlager der Ritter. Auch hier waren Wein und Bier frei, und im Grunde amüsierten sich die beiden Haudegen besser als bei der eher förmlichen Veranstaltung im Bischofspalast. Wenn da nur nicht ihre angeschlagene Ehre gewesen wäre.
»Aber denen zeig ich’s morgen!«, wütete Roland. »Wenn ich den Tjost für mich entscheide, können sie nicht einfach weiter über mich hinwegsehen!«
Raymond grinste. »Dann muss dich die Königin mit einem Kuss ehren!«, behauptete er. »Ich werde übrigens nicht kämpfen. Meine Sterne stehen nicht günstig, man sieht’s ja jetzt schon an der Einladung. Ich werde mich dem Gefolge des französischen Prinzen anschließen, der bringt mich zum König, ob’s dem Fürstbischof passt oder nicht.«
Die Grafen von Toulouse hatten seit Jahren Schwierigkeiten mit der Kirche, aber König Philipp würde es sich nicht mit Raymonds Herrscherhaus verderben wollen. Raymond war nicht immer
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