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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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ignorierte Rüdigers mahnende Handbewegung, die Stimme zu senken.
    Oheim und Neffe hatten sich vom Turnierplatz in das Quartier der französischen Ritter zurückgezogen – nach seinem Gespräch mit Abram und ein paar wenigen Worten mit der aufgelöst wirkenden Miriam ahnte Rüdiger schließlich, was da auf ihn zukam. Allerdings war die Scheune neben den Stallgebäuden des Bischofspalastes nicht gerade der verschwiegenste Ort der Stadt. Jeden Moment konnte jemand hereinkommen oder auch vom Stall aus mithören, wenn die Sprecher zu laut wurden.
    »Und sie ist … hm … sozusagen seine Erbin …«
    Rüdiger nickte und bemühte sich um Langmut. »Irgendwann ist noch nicht gleich«, erklärte er dann. »Wie alt ist das Mädchen? Vierzehn? Deine Mutter wurde erst mit vierundzwanzig verheiratet. Sophia hat also Zeit. Und ja, bislang ist sie seine einzige Erbin. Aber das muss ja nicht so bleiben. Herrgott, Dietmar, der Mann hält an dieser Luitgart fest, weil sie ihm einen Anflug an Legitimation für die Besetzung von Lauenstein gibt. Ich weiß nicht, ob dir das klar ist, aber sie war mit deinem Großvater verheiratet. Mit dessen Tod, der Heirat deines Vaters mit deiner Mutter und erst recht mit deiner Geburt wurden jedoch all ihre Besitzansprüche hinfällig. Sie hat ihrem Gatten ja kein Kind geboren. Also steht die Argumentation Rolands auf tönernen Füßen. Er kann morgen genug davon kriegen und die Dame verstoßen. Oder – die elegantere Lösung – sie fällt im Rausch von den Zinnen ihrer Feste. Mit einem jüngeren Mädchen kann er dann noch drei Söhne zeugen oder mehr. Sophia wird er in einem solchen Fall an sonst wen verheiraten, aber gewiss nicht an dich!«
    Dietmar schaute unglücklich auf. »Das weißt du doch gar nicht«, setzte er an, aber es klang nicht mehr gar so siegesgewiss. Eigentlich klang es wie das letzte Aufbegehren eines unglücklichen Kindes. »Wenn ich frage …«
    »Wenn du fragst, findet er womöglich irgendeinen Grund, dich zu fordern! Auf keinen Fall darfst du dich auf ein persönliches Gespräch mit ihm einlassen! Dietmar, das Mädchen mag das minniglichste Geschöpf unter der Sonne sein, aber sein Vater ist dein ärgster Feind. Bedenke das, bei allem, was du tust und sagst – und mit dem Mädchen anfängst. Es gibt viele Mädchen, Dietmar, du hast jedoch nur ein Leben!«
    »Wenn die Herren jetzt kommen mögen?« Hansi schob seinen Kopf von den Ställen aus in die zum Rittersaal umfunktionierte Scheune. »Ich wollt nicht stören, Herr Rüdiger, aber du hast g’sagt, ich soll B’scheid geben, wenn der Ornemünder kämpft.«
    Rüdiger nickte seinem Knappen zu – und gleichermaßen Dietmar.
    »Danke, Herr«, sagte er förmlich. »Und du kommst jetzt, Dietmar, und schaust sehr genau hin, wen du da aufs Altenteil verbannen willst …«
    Dietmar und Rüdiger kamen eben zurecht, als Roland von Ornemünde neben einem Ritter aus Thüringen in die Schranken ritt. Er saß auf einem prachtvollen Rappen, bei dessen Anblick Abram, der sich jetzt auch zu ihnen gesellte, mit den Zähnen knirschte.
    »Der Gaul stammt doch aus der Zucht meines Oheims, da würde ich einen Knochen der heiligen Perpetua drauf verwetten!«, murmelte er.
    Rüdiger nickte. Neben dem Weinbau war Pferdezucht ein Steckenpferd des jüdischen Medikus gewesen, der damals auf Lauenstein als Dietrichs Freund und Berater ein und aus ging. Salomon von Kronach hatte zwar nie mit seinen Tieren geprahlt, um keinen Neid und keine Begehrlichkeiten von christlichen Herren auf sich zu ziehen. Aber er hatte Dietrich zur Schwertleite einen prächtigen Schimmel geschenkt, den Rüdiger nach dessen Tod selbst jahrelang geritten hatte. Sein heutiges Streitross war ein Sohn des legendären Floremon – und der Rappe des Ornemünders mochte wohl nah mit ihm verwandt sein. Nach Herrn Salomons Flucht mit Gerlin und Florís hatte Roland die Pferde des Juden selbstverständlich annektiert.
    Rüdiger jedenfalls erkannte einige Eigenheiten seines eigenen Hengstes im Antritt und in der Halshaltung des Rappen. Er würde sich das merken müssen, falls er einmal gegen Roland in die Schranken ritt … Der Gedanke kam dem erfahrenen Turnierkämpfer unvermittelt, aber dann verwarf er ihn sofort. Nein, niemals würde er mit dem Holzschwert gegen Roland von Ornemünde antreten! Diese Fehde verlangte scharfe Waffen!
    Dietmar neben ihm wirkte gleich deutlich kleinlauter, nachdem er zugesehen hatte, wie Roland seinen Gegner schon beim ersten Anreiten in den Staub

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