Das Erbe der Pilgerin
mir – solange noch so viele Ritter im Turnier sind, legen sie viel Zeit zwischen die einzelnen Treffen. Und Roland und ich haben morgen früh erst mal unsere zweiten Kämpfe – mit jeweils anderen Rittern, die stehen schon fest.«
Abram wollte etwas anmerken, aber Rüdiger schüttelte den Kopf. »Nein, nein, mach dir keine Hoffnungen, gegen Archibald von Kent wird Roland nicht verlieren, der ist mit der Laute weit besser als mit dem Schwert. Und ich denke, ich schlage meinen Gegner auch aus dem Feld. Wir bestreiten übrigens die letzten beiden Kämpfe der zweiten Runde – da lassen sie uns nicht gleich zu Beginn der nächsten Runde noch mal antreten. Zumindest beim ersten Kampf morgen ist Dietmar also nicht in Gefahr und beim zweiten wahrscheinlich auch nicht. Allerdings wird es mit jeder Runde enger … und Dietmar … nun, Rolands Tochter beflügelt ihn. Und dann noch dieser Preis heute … Der junge Mann wird zweifellos alles geben. Und für sein Alter ist er sehr gut!«
Dietmar hatte das Bankett des Königs sehr früh verlassen – überhaupt zechte man nicht endlos lange an der Tafel Friedrichs II. Der König war weltlichen Freuden nicht abgewandt, aber er frönte der Tugend der Mäßigkeit. Der Staufer galt in jeder Beziehung als ein vorbildlicher Ritter, vom Schwertkampf bis zum Frauendienst. Er war großzügig, liebenswürdig und klug, Dietmar war schon nach kurzer Zeit von ihm beeindruckt. Der Prinz hatte den jungen Ritter vorgestellt, und Friedrich hatte ein paar freundliche Worte mit ihm gewechselt. Dietmar war fast geneigt, diesem verständnisvollen Herrscher seine Sorgen anzuvertrauen, aber dann nahm er sich zusammen. Weder seine aufkeimende Liebe zu Sophia noch seine Erbstreitigkeiten gehörten an diese Tafel, aber vielleicht … Bei seinen ersten beiden Bechern Wein dachte Dietmar noch ernsthaft daran, dem König die Lauensteiner Sache einmal bei anderer Gelegenheit vorzutragen. Beim dritten, als die Tische nach dem Essen bereits beiseitegestellt waren und Gaukler und Sänger die Gesellschaft unterhielten, träumte er bereits von den Liedern, die einst Troubadoure über die tiefe Liebe der beiden Lauensteiner Erben dichten würden.
Nach dem vierten Becher dichtete er selbst … und sah ein, dass er den fünften besser stehen ließ, wenn er am kommenden Tag zur Ehre seiner Dame erfolgreich kämpfen wollte. Überhaupt wäre es keine schlechte Idee, noch etwas frische Luft zu schnappen …
Während der Prinz bereits in seine Gemächer ging, wanderte Dietmar also hinaus in die nächtliche Stadt – in der dank der Großzügigkeit des Königs noch Leben herrschte. Es war eisig kalt, aber die Menschen wärmten sich an frei ausgeschenktem Bier und am Wein und sprachen dem Essen aus den Garküchen zu.
Dietmar war nicht mehr hungrig – zumindest gelüstete es ihn nicht nach etwas Essbarem. Aber er lechzte danach, Sophia an diesem Abend noch einmal zu sehen, ihre Stimme zu hören … sehnte sich nach diesem Rosen- und Sandelholzduft …
Natürlich war es illusorisch, das Mädchen im nächtlichen Mainz finden zu wollen. Die Stadt hatte sicher fünfzehntausend Einwohner und obendrein die vielen Besucher der Krönung. Aber andererseits gab es natürlich die Helmschau. Ein Ritter pflegte kenntlich zu machen, wo er residierte, entweder baute er Schild und Helmzier vor seinem Zelt auf, oder er hängte Banner und Wappen aus den Fenstern seiner Herberge. Dietmar brauchte also nur nach dem Wappen des Ornemünders Ausschau zu halten – wobei er bedauerte, sich dessen Aussehen nicht gemerkt zu haben. Irgendetwas mit einem Bären … Aber das sollte sich finden lassen! Frohgemut wanderte der junge Ritter durch die Straßen und blickte hinauf zu den Fenstern der Herbergen. Gleich in der dritten wurde er fündig – ein Schild mit zwei miteinander kämpfenden Bären … Dietmar postierte sich unter dem Fenster und rief Sophias Namen hinauf.
Ihm antwortete trunkenes Gelächter. »Freund, hier ist nicht der Hurenwirt! Aber wenn du das Mädchen findest, seid ihr noch auf einen Trunk willkommen!«
Vergnügte junge Ritter, die miteinander feierten. Dietmar versagte sich, sie zu fordern, weil sie Sophias Namen schmähten. Er war vielleicht etwas angetrunken, gerade genug, um Mut für sein Unternehmen zu fassen, aber nicht so bezecht, dass er leicht in Wut ausbrach.
Leider zeigte sich ihm auch der zweite Bär nicht wohlgesonnen. Das Wappen zeigte das Tier beim Ausreißen eines Baumes, und Dietmar war zuerst guten
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