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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Mutes, weil hinter dem Fenster der Herberge kein Licht mehr brannte. Sophias Vater zechte zweifellos noch irgendwo – der junge Mann hätte sich nie getraut, auf die Suche nach dem Mädchen zu gehen, hätte er es unter der Obhut seines Vaters vermutet. Und damit hätte er ja auch sein Versprechen gebrochen. Dietmar dachte wehmütig an dieses Versprechen. Vielleicht wäre es doch eine bessere Idee gewesen, Roland gleich zu fordern. Vielleicht um den Preis der Hand der schönen Sophia …
    Die Vorstellung seines heldenhaften Kampfes wurde durch einen wütenden Ruf von oben unterbrochen. Dietmar konnte dem Inhalt eines über ihm ausgeleerten Nachttopfs gerade noch ausweichen.
    »Verpiss dich, Troubadour!«, brüllte eine tiefe Stimme. »Reicht’s nicht, mich auf dem Turnierplatz zu verhauen? Verfluchte Franzosen!«
    Dietmar musste grinsen. Anscheinend war dieser Ritter zuvor einem der Großen Liebenden aus der Provence oder dem Languedoc unterlegen gewesen.
    Dietmar war schon nahe dran, aufzugeben, als er schließlich das Wappen mit dem Bären entdeckte, der mit einer goldenen Kette gefesselt war. Das, genau das war es, jetzt erinnerte er sich! Und auch an die Farben – Blau und Silber. Dietmar warf einen kurzen Blick in die Ställe der Herberge. Nein, der schwarze Hengst war noch nicht da, der Ritter also sicher unterwegs. Mit klopfendem Herzen postierte sich der junge Mann erneut unter einem der Fenster und rief leise Sophias Namen. Er wappnete sich gegen übelriechende Abwehr, aber statt eines schimpfenden Ritters erschien oben ein blonder Mädchenschopf. Sophia schob den groben Leinenstoff beiseite, mit dem man versuchte, die Fensteröffnung gegen die Kälte abzudichten.
    »Wer ist da? Herr … Herr Dietmar?«
    Sophias Stimme klang süß, aber ungläubig. Ihr schönes Gesicht war unverschleiert, es leuchtete im Licht des Mondes, der diese klare, eiskalte Nacht erhellte. Dietmar sehnte sich danach, es einmal zu berühren, zu spüren, wie zart es war und sicher weich und warm …
    »Sophia …!«
    Das Mädchen legte den Finger an die Lippen. »Psst, nicht so laut, Ihr … Ihr weckt meine Mutter …«
    An sich war das nicht zu befürchten. Luitgart von Ornemünde schlief längst ihren Rausch aus, nicht einmal ein Donnerschlag hätte sie wecken können. Aber Sophia wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. Was sagte eine Dame in solch einem Moment? Sophia hatte sich oft einen Ritter erträumt, der vor ihrem Fenster die Laute schlug.
    »Sophia …«
    Dieser Ritter schien allerdings nur ihren Namen sagen zu können – wobei er sie wieder mit diesem andächtigen Strahlen ansah. Seine Augen waren freundlich, voller Liebe und Anbetung. Und er war schön und stattlich in seinem wollenen Mantel über der festlichen Tunika. Sophia erinnerte sich daran, dass er einen Preis gewonnen hatte. Die Königin hatte ihre Hofdamen damit geneckt, sie würden sicher nur so darauf brennen, ihn dafür mit einem Kuss zu ehren. Sollte er sich weiter auszeichnen, konnte irgendeine junge Frau dazu bestimmt werden, dies zu tun … Und nun streckte er Sophia die Arme entgegen, als wollte er sie zu sich herabziehen. Dafür war das Fenster natürlich zu hoch. Und überhaupt …
    »Wollt Ihr … wollt Ihr nicht singen?«, fragte Sophia.
    Dietmar sah verblüfft und peinlich berührt zu ihr auf.
    »Herrin ich … ich kann nicht singen«, gestand er dann. Es klang, als ob er dabei errötete, aber das konnte sie im Schein des Mondes nicht sehen. Sie sah nur sein Gesicht, das jetzt fast zerknirscht wirkte.
    »Ich … ich habe gelernt, die Laute zu schlagen, aber … aber es wäre kein … kein … es wäre kein Ausdruck meiner Liebe zu Euch …«
    Sophia musste lachen. Sie fühlte sich plötzlich leicht und gelöst in Gesellschaft des jungen Ritters. Dietmar von Ornemünde imponierte, wenn er mit einem grimmigen Blick auf seinen Gegner das Visier senkte und dann auf seinem Hengst in den Tjost ritt. Aber hier und jetzt war er genauso schüchtern und befangen wie sie. Und sicher stand er zum ersten Mal unter dem Fenster eines Mädchens. Er war kein Troubadour, der das dauernd tat …
    »Für diesen Ausspruch muss ich Euch tadeln, Herr Ritter!«, sagte Sophia in der Manier der strengen Minneherrin. »Freut sich nicht die Räbin am Gesang des Raben, und wenn sein Krächzen uns noch so garstig klingt? Nicht der Klang Eurer Stimme ist es, der Eure Herrin betört, sondern das Lob der Hohen Minne, das Ihr singt und mit dem Ihr der Schönheit

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