Das Erbe der Pilgerin
Eltern zu rennen und von göttlicher Fügung zu reden. Aber jetzt müssen die zwei erst mal weg hier. Nicht auszudenken, wenn der Ornemünder vorbeischaut, um nach dem Ritter zu sehen, den er da vorhin zum Krüppel geschlagen hat!«
Kapitel 8
R oland von Ornemünde gewann auch an diesem Tag all seine Kämpfe – seine Auszeichnung und Berufung an die Tafel des Königs konnte der Bischof jedoch gerade noch abwenden. Es hätte nicht sein müssen, seine Gegner so schwer zu verwunden, argumentierte er vor der Runde der Herolde, die über die Tagessieger entschieden. Neben dem Ritter mit dem ausgeschlagenen Auge hatte sich ein anderer beim Sturz vom Pferd lebensgefährlich verletzt. Gut, Letzteres konnte Zufall gewesen sein, aber Siegfried von Eppstein argumentierte, dass ein so erfahrener Ritter wie Roland seine Stöße einschätzen könne. Es war überflüssig, im Turnier wie ein Berserker auf seine Gegner einzuschlagen.
Roland sah das selbstverständlich völlig anders und brauchte an diesem Abend mehr Wein als üblich, um über die erneute Enttäuschung hinwegzukommen. Raymond de Toulouse hörte ihm bereitwillig und geduldig zu.
»Auf Dauer wirst du diesen Herrn Dietmar fordern müssen«, meinte er schließlich. »Solange der lebt, werden sie dich nie als Burgherrn anerkennen. Und solange du die Burg ohne wirkliche Legitimation besetzt hältst, bleibst du verfemt.«
Roland nickte, hob aber gleichzeitig resigniert die Schultern. »Aber wenn ich den Ritter ohne Grund fordere, bleibe ich auch verfemt«, bemerkte er. »Solange er mich nicht beleidigt oder sonst was, kann ich nichts machen. Und was das angeht: Entweder ist er genauso ein Schaf wie sein Vater, oder er hat hervorragende Berater. Dieser Rüdiger von Falkenberg weicht ihm ja kaum von der Seite. Und der Bischof scheint auch alles zu tun, ihn von mir fernzuhalten. Wenn sich da bis übermorgen nichts tut, sind die Krönungsfeierlichkeiten vorbei. Nach wie vor gibt es keinen Hof, der meine Tochter zur Erziehung aufnimmt, und Luitgart hat die Nähe zur Königin auch nicht genutzt. Wieder hat sich nichts zum Besseren gefügt …«
Der Graf von Toulouse zuckte die Achseln und schenkte seinem Freund nach. »Aber auch nichts zum Schlechteren«, tröstete er. »Außerdem hast du Zeit. Der Buhurt steht noch an. Wenn der Knabe in der Gruppe gegen dich kämpft, kann immer noch ein Unfall passieren …«
Der Buhurt, die nachgestellte Feldschlacht, bildete traditionell den Abschluss eines Turniers. Die teilnehmenden Ritter standen sich hier in zwei Heeren gegenüber, und die Kämpfe arteten oft in unübersichtliches wildes Gerangel aus. Aber Roland von Ornemünde machte sich keine Illusionen: Rüdiger von Falkenberg würde alles daransetzen, Dietmar von diesem Kampf fernzuhalten. Und falls das nicht gelang, so müsste Roland erst mal an ihm vorbei.
»Und was das Mädchen angeht«, sprach der Graf weiter. »So nehme ich es gern an meinen Hof. Ist ja ein hübsches, minnigliches Geschöpf, meine Gattin dürfte nichts dagegen haben.«
Roland sah seinen Freund ungläubig an. »Das würdest du tun?«, fragte er. »Ohne … ohne Gegenleistung? Von mir oder von … ihr?« Die Blicke, die Raymond dem »hübschen minniglichen Geschöpf« schenkte, waren ihm nicht entgangen.
Raymond wehrte mit einer Handbewegung ab. »Natürlich, mein Freund! Was denkst du? Als ob ich dein Töchterchen anrühren würde. Nein, nein, die kommt unbefleckt in Toulouse an, darauf geb ich dir mein Wort. Was da allerdings passiert … meine Gattin führt einen Minnehof. Der Palast ist voll von heißblütigen jungen Rittern.«
Roland schüttelte sorglos den Kopf. »Ach, Sophia ist nicht so heißblütig. Die hat noch nie einen Jüngling angeguckt. Und was die Ritter angeht: Die wirst du doch wohl anderweitig beschäftigen können. Auf wessen Seite kämpfst du denn nun in diesem seltsamen Krieg gegen die Albigenser, den der Papst zum Kreuzzug erklärt hat?«
Während Roland und der Graf zechten, machte sich Dietmar erneut zu Sophias Herberge auf. Der junge Ritter ließ es sich nicht nehmen, ihr sein selbst geschriebenes Lied vorzutragen. Sophia empfand es erwartungsgemäß als Krönung der Kunst jeglicher lebender und verstorbener Troubadoure und sparte nicht an Schmeicheleien. Ihre unverhohlene Tändelei sollte sich allerdings dieses Mal rächen. Die jungen Liebenden blieben nicht unbemerkt – der Wirt der Schenke und die anderen Ritter in der Herberge wurden aufmerksam.
Nun hätten sie alle wenig
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