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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Vielleicht spielst du ihr das Lied vor, das dein Bruder für sie gedichtet hat …«
    Geneviève spielte und hoffte, dass es eher das kühle Metall des Medaillons als die süßliche Melodie ihres Liedes sein würde, die Sophia weckte. Sie musste den Ritter geliebt haben, der ihr das Schmuckstück geschenkt hatte. Und sie empfand hoffentlich nichts Vergleichbares für Flambert!
    Was das Mädchen dann tatsächlich aus seiner Bewusstlosigkeit riss, erfuhr Geneviève nie. Zwei Stunden später öffnete Sophia langsam die Augen.
    »Habe ich lange geschlafen, Geneviève? Die Sonne steht ja schon hoch am Himmel, warum hast du mich nicht geweckt? Und warum habe ich wohl so fürchterliche Kopfschmerzen?«
    Sie schien aus einem langen Schlummer zu erwachen und sich an nichts zu erinnern.

Kapitel 8
    D er Medikus atmete auf, als er die Tür der ihm zugewiesenen Kemenate im oberen Stock hinter sich schließen konnte. Bisher hatte er seine Gefühle und seinen Gesichtsausdruck eisern beherrscht – es war ja auch Irrsinn, sich vom Anblick eines kleinen Schmuckstücks derart aus der Fassung bringen zu lassen! Es konnte tausend Gründe dafür geben, dass dieses Medaillon in die Hände der Sophia von Ornemünde gekommen war. Gerlin konnte es in den Kriegswirren verloren haben – oder es war gar kein Unikat. Vielleicht waren mehrere davon angefertigt worden, und wenn man dieses hier öffnete, fand man wirklich das Bild irgendeines christlichen Heiligen statt des Porträts der englischen Königin Eleonore. Womöglich irrte er sich sogar, und es war gar nicht dasselbe Schmuckstück, sondern nur ein ähnliches … Diese Überlegung hätte sein wild pochendes Herz beruhigen sollen, aber tief im Inneren war ihm klar, dass es nicht sein konnte. Das Bild dieses Medaillons, das Gerlin in jener einen, wunderbaren Nacht um den Hals trug, hatte sich ihm auf ewig eingeprägt.
    Während er noch grübelte, klopfte es an die Tür, und eine Magd mit einem Tablett trat ein. Der Medikus dankte, wusste die Mahlzeit aber nicht recht zu würdigen. Er sehnte sich nach seinen Räumen in Montalban und Zeit, um in Ruhe nachzudenken. Sollte er Anstalten machen, herauszufinden, woher Sophia das Schmuckstück hatte, oder ließ er die Vergangenheit – und Zukunft – Lauensteins lieber ruhen?
    Die Entscheidung wurde dem Arzt abgenommen, als er den Ruheraum einige Stunden später verließ. Man hatte ihm gemeldet, seine Patientin sei aufgewacht. Es gab also keinen Grund, länger in Toulouse zu verweilen. Der Medikus dankte Gräfin Leonor für ihre Gastfreundschaft, nahm widerstrebend eine goldene Kette als Dank für seine Bemühungen entgegen und lenkte dann seine Schritte die Stiege hinunter, um seine Stute aus den Ställen zu holen. Und genau dort traf er auf einen Mann, dessen Anblick sein Herz beinahe stehenbleiben ließ.
    »Abram! Ist das die Möglichkeit? Wie um des Ewigen Willen kommst denn du hierher?«
    Sein Neffe, wieder mal in seinen aufwändigen Brokatmantel mit Sternen und Monden gewandet, schaute nicht minder verwundert. Mehr noch – Abram erblasste und suchte Halt an der Burgmauer.
    Der Medikus betrachtete ihn abschätzend. »Ich wähnte dich in Sicherheit in Al Andalus – und nicht hier in der Tracht eines Gauklers!«
    »Du kannst es nicht sein«, bemerkte Abram. »Du bist jemand, der dir ähnlich sieht, oder womöglich ein Geist … wenngleich du für einen Geist recht lebendig wirkst. Jedenfalls bist du nicht Salomon von Kronach.«
    Der Medikus schüttelte den Kopf. »Nein«, bestätigte er. »Ich nenne mich Gérôme de Paris. Es wäre freundlich, wenn du das berücksichtigen würdest. Aber du …«
    Abram schluckte. Die Stimme seines Oheims … das Gesicht seines Oheims … Dies konnte kein Trugbild  sein.
    »Ich nenne mich Abu Hamed al Moxacar, wenn du also … Ich kann es nicht fassen, Oheim! Du bist doch tot!«
    Salomon zuckte die Achseln. »Nicht ganz, wie du siehst. Aber wenn du schon hier bist … ich nehme an, du kennst die Antworten auf ein paar wichtige Fragen …«
    Abram nahm kurz seine reich verzierte Kappe ab und raufte sein Haar. »Ich hätte da eher meinerseits ein paar Fragen …« Der junge Mann fand langsam seine Fassung zurück. »Immerhin bist du der erste Jude seit gut tausend Jahren, der von den Toten auferstanden ist. Wobei der erste Fall meiner Ansicht nach nicht ausreichend belegt ist. Du wirst mir berichten müssen, wie du das gemacht hast.«
    Der Medikus sah an Abram vorbei die Stiege hinunter. Über den Burghof

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