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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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ja hier«, sagte er freundlich. »Und mit Gottes Hilfe …«
    Geneviève hätte einwenden müssen, dass Gott den Körper nicht heilte, sondern nur der Seele Zuflucht bot, wenn sie ihn in reinem Zustand verlassen hatte, aber sie brachte es nicht über sich. Sophia war ein so liebenswertes Mädchen, immer verständnisvoll und geduldig, wenn Geneviève sich auch noch so schlecht gelaunt und mürrisch zeigte. Und sie war schön, ihr Anblick erfreute das Herz eines jeden, auch wenn dies nicht gottwohlgefällig sein konnte. Außerdem hatte Geneviève sie noch längst nicht bekehrt – und jetzt hätte sie das Consolamentum nicht einmal ablegen können, wenn sie es gewollt hätte. Man musste bei Bewusstsein sein, um allem Irdischen abzuschwören. Wenn Sophia jetzt starb, war also auch ihre Seele verloren. Geneviève seufzte verzweifelt. Sie wollte die Freundin nicht verlieren. Nicht für alle Ewigkeit – und möglichst auch nicht für die nächsten Jahre.
    Der Medikus folgte dem Mädchen die Treppen hinauf – nachdem Geneviève ihren Bruder mit scharfen Worten daran gehindert hatte, ihnen ebenfalls hinterherzulaufen.
    »Hast du nichts Besseres zu tun?«, fuhr sie ihn an. »Was ist mit dem Pferd? Ein Geschenk? Dann geh und überreich es, dabei wird dich der Graf gleich dem König vorstellen, das ist gut für unsere Sache.«
    Der Medikus runzelte die Stirn. »Geneviève, du lässt dich schon wieder gehen!«, tadelte er. »Wie wäre es stattdessen mit ›Danke, Flambert, dass du die Nacht hindurch geritten bist, um meiner Freundin Hilfe zu bringen‹?«
    »Ich fürchte, er ist die Nacht hindurchgeritten, um seiner Freundin Hilfe zu bringen – oder jedenfalls dem Mädchen, das er gern zur Minneherrin hätte«, stieß Geneviève hervor. »Und das …«
    »Wäre das so schlimm?«, fragte der Arzt nachsichtig. »Er muss einmal heiraten, Geneviève, er will doch die Burg erben.«
    Geneviève biss sich auf die Lippen. »Glaubt Ihr wirklich, Herr Gérôme, dass es Montalban dann noch gibt? Montfort gewinnt eine Stadt nach der anderen. Und der Graf redet vorerst mehr als zu kämpfen.«
    Der Arzt zuckte die Schultern. »Nun soll sich aber auch der Herr von Aragón auf seine Seite schlagen … Wir müssen es abwarten, Geneviève, verlier nicht die Hoffnung! So, und nun erzähl mir von dem Mädchen, das ich behandeln soll …«
    Ein wenig außer Atem schleppte Gérôme de Paris sich über die langen Korridore zum Frauentrakt der Burg. »Eine Ornemünde, sagt Flambert? Ich habe von der Familie gehört. Wo kommt sie her? Thüringen?«
    Geneviève schüttelte den Kopf. »Franken, Herr. Sophia von Ornemünde zu Lauenstein.«
    Der Medikus hatte seine Gefühle immer gut verbergen können. Man lernte das als Jude, wenn man in christlichen Gemeinschaften überleben wollte, und an maurischen Höfen war es auch nicht viel anders. Dennoch musste er einen Laut der Verblüffung unterdrücken, als er zunächst den Namen seiner Patientin hörte und sie dann auf dem Bett liegen sah. Die Ähnlichkeit mit Luitgart von Ornemünde war verblüffend – zumal wenn man Luitgart gekannt hatte, bevor sie sich verbittert nach einer kurzen, unglücklichen Ehe in eine aussichtslose, nicht einmal erwiderte Liebschaft mit Roland von Ornemünde gestürzt hatte. Bevor sie Trost im Wein suchte und bevor sie all ihren Hass auf ihren Stiefsohn und seine Frau Gerlin konzentrierte. Als Luitgart viele Jahre zuvor als junges Mädchen an den Hof von Lauenstein gekommen war, hatte sie ebenso süß und unschuldig gewirkt wie diese fiebernde blonde Kleine. Schließlich gestattete der Arzt sich wenigstens eine Bemerkung. »Sie ist … sehr schön …« Die Gräfin nickte. Sie fand es zweifellos etwas befremdlich, dass der Medikus ihr selbst kaum Beachtung schenkte, sondern gleich seine ganze Konzentration auf die Patientin richtete, aber sie trug das mit Fassung.
    »Sie ist auch sehr tugendhaft«, fügte sie allerdings streng hinzu. »Eine Zierde meines Hofes.«
    Der Medikus erschrak etwas, fasste sich dann aber rasch und begrüßte Leonor endlich mit der gebührenden Ehrerbietung. »Ich habe Euch nicht erkannt, Gräfin. Bitte verzeiht mein Benehmen.«
    Die Gräfin winkte ab. »Seht nur zu, dass Ihr das Mädchen gesund macht, dann könnt Ihr Euch benehmen, wie Ihr wollt«, sagte sie kurz – und sah dann ebenso gebannt wie Geneviève zu, wie der Arzt einige seiner Instrumente auspackte und Sophia mit kundigen Händen untersuchte.
    Schließlich fühlte er noch einmal ihren Puls

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