Das Erbe der Pilgerin
Judenfriedhof?«
»So unmittelbar nun auch wieder nicht, ich bin schon ein Stück weit gekommen«, meinte Salomon. »Und sonst … was weiß denn so ein Burgfräulein, wo vor zehn Jahren mal ein Judenfriedhof war? Gabrielle war der Ansicht, ich sei das Opfer von Straßenräubern – es gibt da eine recht menschenfreundliche Geschichte in ihrem Neuen Testament, weißt du … Der barmherzige Samariter . Daran fühlte sie sich erinnert. Und ich war ja auch nicht wie ein Jude gekleidet, eher wie ein Kaufmann oder Ritter – das passte zu der Geschichte. Ich verlor jedenfalls erneut das Bewusstsein, als man mich aufhob, und diesmal fand ich es nicht so schnell wieder. Ich lag viele Wochen im Fieber.«
»Die Dame Gabrielle hat dich gesund gepflegt?«, fragte Abram.
Salomon nickte mit schmerzlichem Ausdruck. »Man hätte es besser machen können«, sagte er mit Blick auf sein Bein. »Aber ich will mich nicht beklagen, Gabrielle hat ihr Bestes getan. Sie muss auch sehr aufmerksam zugehört haben, als man sie als junges Mädchen in die Grundlagen der Heilkunst und Krankenpflege einführte. Jedenfalls war sie nicht gar so hilflos wie andere Edelfrauen. Und unterwegs fand sich noch irgendwo ein Bader, der das Bein halbwegs richtete … Wie auch immer, ich habe überlebt und weile seitdem ganz zufrieden in Montalban als eine Art Garnisonsarzt. Ich behandle aber auch Zivilisten ohne Ansehen von Religion oder Geschlecht. Irgendwann erfuhr ich dann von Gerlins Rettung und von ihrer Hochzeit. Möge der Ewige sie segnen und ihr Frieden schenken. Und nun treffe ich hier auf die Tochter unseres alten Feindes – und ein ganz bestimmtes Schmuckstück. Gerlin erhielt es einst als Geschenk der Königin Eleonore. Wie also kommt es jetzt an den Hals von Luitgarts Tochter?«
Abram füllte sich einen Becher Wein. Und dann berichtete er von Dietmar.
D IE F EHDE
Lauenstein – Toulouse
Frühjahr 1214 bis Frühjahr 1217
Kapitel 1
D ietmar von Lauenstein zog im Herbst des Jahres 1214 gegen die okkupierte Burg seiner Väter. Gerlin und Florís, Rüdiger und Hansi waren in Mainz zu ihm gestoßen, und weiterhin befanden sich in seinem Gefolge rund hundert Ritter und ihre Knechte. Ihre Zahl vergrößerte sich ständig, je näher er dem oberen Frankenwald kam. Dietrich von Ornemünde hatte stets Frieden mit seinen Nachbarn gehalten. Sowohl er als auch sein Vater waren bei Gleichgestellten und Lehnsleuten wohlgelitten gewesen. Als Dietrich starb, hatten sich von den fränkischen Rittern lediglich die Herren des Wehrhofes Steinbach auf Seiten des Usurpators Roland geschlagen – eine frühere Gerichtsentscheidung Dietrichs hatte sie beleidigt. Steinbach blieb auch jetzt bestenfalls unbeteiligt, während sich alle anderen Burgherren und Lehnsleute der Gegend sofort bereiterklärten, Dietmar Ritter zu stellen. Sogar jüngere Söhne der Burgherren schlossen sich dem Feldzug an und führten die fünf oder sechs Ritter ihres Vaters in den Kampf.
»Das ist nett gemeint, macht aber die Sache nicht unbedingt einfacher«, seufzte Florís, der neben seinem Pflegesohn die Ritterschaft anführte. Die von König und Bischof gestellten Kämpfer waren ganz klar Dietmar unterstellt, während es bei den winzigen »Unterheeren« zu Kompetenzgerangel kommen konnte.
»Aber sie bieten unzweifelhaft Verstärkung!«, erklärte Dietmar wohlgemut.
Dem jungen Fehdehauptmann konnte in diesen Tagen nichts die Laune verderben. Schließlich näherte er sich mit jedem Schritt seines Pferdes seiner geliebten Sophia, auch wenn die Reitergruppe nicht allzu schnell vorankam. Auf Florís’ Rat hin mieden sie die wenigen, stark befahrenen und berittenen Fernhandelswege. Roland musste nicht früher von der Sache Wind bekommen, als unbedingt nötig. Die Ritter und ihr Tross kämpften sich oft durch unwegsames Gelände – große Teile der Grafschaft Lauenstein waren noch nicht gerodet, und die Landschaft war alles andere als eben. Zwar gab es keine sehr hohen Berge oder gar schroffe Abgründe, aber Hügel folgte auf Tal – man ritt stets bergauf oder bergab. Lange Galopp- oder auch nur Trabstrecken waren selten.
Florís zuckte die Achseln. »Natürlich verbessern viele Ritter das Bild – es wird allein schon abschreckend wirken, wenn sie alle vor Lauenstein Aufstellung nehmen. Aber um sie wirklich sinnvoll einsetzen zu können, müssen sie sich einem Befehl unterstellen und sollten nicht jetzt schon um die Ehre streiten, Roland den Fehdebrief zu überbringen. Dein feiner
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