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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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näherten sich eben ein paar Ritter. Das abendliche Bankett würde bald beginnen. Wenn er sich nicht in absehbarer Zeit verzog, würde man ihn erneut zur Abendandacht einladen, womöglich rief ihn die Gräfin noch beim Nachtmahl an ihren Tisch … Salomon wünschte kein Aufsehen.
    »Hör zu, Abr … Abu Hamed, wir können hier nicht zwischen Tür und Angel reden. Auf der Straße nach Montalban ist ein Gasthaus – vielleicht zehn Meilen von hier. Du hast doch ein Pferd, oder?«
    Abram grinste. »Eine Berberstute«, erklärte er. »Wir stehen hoch in der Gunst des Emirs.«
    Salomon runzelte die Brauen. »Wie auch immer. Der Gasthof heißt Le Canard, du wirst ihn leicht finden. Ich werde mich jetzt dorthin begeben und auf dich warten. Ich sehe dich noch heute Nacht!«
    Abram nickte. »Dein Wunsch ist mir Befehl«, erklärte er vergnügt. »Aber es kann etwas dauern. Bestell schon mal Wein!«
    Salomon griff sich an die Stirn. »Du bist Maure, Junge! Berauschende Getränke sind dir verboten!«
    Abram zuckte die Schultern. »Ich gehe mal davon aus, dass der Wirt des Le Canard den Heiligen Koran nicht gelesen hat …« Damit schob er sich an Salomon vorbei und strebte den Frauengemächern zu.
    Salomon sah ihm ziemlich fassungslos nach. Sein Neffe war der Letzte, mit dessen Auftauchen er hier gerechnet hätte. Aber wenn irgendjemand die Antwort auf die brennende Frage kannte, die ihn seit Stunden bewegte, so war es zweifellos sein ungeratener Verwandter: Wie kam das Medaillon der Gerlin von Lauenstein an den Hals der Sophia von Ornemünde?
    »Oh, das ist eine lange Geschichte.« Abram grinste, als sein Oheim ihn gleich nach seinem Eintreffen im Le Canard mit der Frage überfiel. Salomon hatte tatsächlich lange auf ihn warten müssen. Er hatte fast schon aufgeben wollen, als Abram doch noch in die Gaststube trat. »Und verzeiht meine Verspätung, Seigneur de Paris«, sagte er höflich. »Aber der Graf und der König wollten noch nicht auf die Dienste meiner Gattin verzichten, und natürlich konnte ich sie nicht mit den Herren allein lassen.«
    »Die Dienste deiner Gattin?«, fragte Salomon streng, aber dann wurde ihm einiges klar. »Die Sterndeuterin! Die Maurin! Sag, dass es nicht wahr ist, Abraham von Kronach! Ihr habt euch hier als Gaukler und Wahrsager eingeschlichen, und Miriam berät den Grafen?«
    Abram schürzte die Lippen. »Sozusagen«, gab er dann halbherzig zu. »Es ist eine lange Geschichte … Aber …« Über sein langes Gesicht huschte ein verschmitztes Lächeln. »Du kannst nicht sagen, dass sie es schlecht macht! Es gibt auch keine Judenverfolgung in Toulouse, der Graf lässt alle glauben, was sie wollen …«
    »… und stürzt sich demnächst in einen Krieg zum Schutz der Albigenser«, vervollständigte Salomon.
    »Das hat er doch schon!«, verteidigte Abram die Beschlüsse des Grafen. »Und er war’s nicht, der ihn anfing. Dieser Simon de Montfort ist eine Bestie. Er wütet unter der gesamten Bevölkerung der Orte, die er einnimmt, nicht nur unter den Albigensern. Wobei das friedliche, arbeitssame Leute sind. Ein bisschen verrückt, aber … Lass uns jetzt nicht über die Albigenser reden, Oheim, und die Politik des Grafen! Ich will wissen, was passiert ist. Was ist damals in Paris geschehen? Wieso bist du am Leben? Wir haben dich zehn Jahre lang betrauert! Gerlin hat dich betrauert!«
    Bei dem Gedanken an Gerlin von Lauenstein flog ein Schatten über das Gesicht des Arztes. Er hatte längst mit dieser Liebe abgeschlossen. Er zeigte größtes Verständnis für ihre Entscheidungen, und er wünschte ihr und Florís de Trillon nur das Beste. Aber dennoch … es schmerzte nach wie vor, sich Gerlin in den Armen eines anderen vorzustellen.
    Um abzulenken, fragte Salomon nun endlich nach dem Medaillon der Gerlin von Lauenstein. Abram war allerdings nicht willig zu erzählen. Erst musste Salomon berichten – schließlich war er es, der seine Familie und Freunde seit Jahren über sein Schicksal im Unklaren ließ.
    »Ich will erst wissen, Oheim, wie du dem Pogrom in Paris entkommen bist. Und warum hast du nichts von dir hören lassen?«
    Salomon seufzte. Er hatte seine Geschichte noch nie jemandem erzählt, aber Abram hatte natürlich Recht, er musste die Wahrheit erfahren.
    »Wie sollte ich etwas von mir hören lassen, Neffe, ich konnte mich doch nicht als Jude zu erkennen geben. Ja, ich weiß, inzwischen hat der König sie wieder nach Frankreich geholt, und in Okzitanien hielt sich die Verfolgung ohnehin in

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