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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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die Worte nur in Gedanken.
    »Ich bin der, der war und immer sein wird«, erklärte das seltsame Geschöpf mit eigenartigen Zischlauten. »Ich bin der Wächter jener, die gegangen sind, Bewahrer der ewigen Ruhe, Hüter der Seelensteine.«
    »Der Semouria«, stieß Ajana ehrfürchtig hervor.
    »Semouria? Ja, ich hatte Namen«, wisperte die Stimme in ihren Gedanken. »So viele Namen. Zu viele, dass ich mich ihrer erinnere. Namen sind wie Jahreszeiten. Sie kommen und gehen. Was bleibt, hat keinen Namen.«
    »Was ist hier geschehen?«, fragte Ajana. Die Sorge um ihre Begleiter war so unerträglich, dass sie darüber sogar ihr Erstaunen vergaß. »Was ist mit den anderen?«
    »Sie schlafen.«
    »Aber sie atmen nicht!«, rief Ajana aus. »Sie sind tot.« Furcht lag in den Worten, dieselbe eisige Furcht, die auch ihr Herz umklammert hielt.
    »Schlafende Tote, tote Schlafende«, sinnierte der Hüter der Seelensteine und reckte den Körper ein wenig weiter in die Höhe. »Was ist Schlaf? Was ist Tod? Ist der Tod nicht auch nur ein Schlaf?« Plötzlich, als erinnerte er sich in diesem Augenblick an etwas, nahm seine Stimme einen entschlossenen Tonfall an. »Du wirst erwartet«, sagte er noch einmal und wandte sich um. »Folge mir.«
    Ajana zögerte. Konnte sie diesem seltsamen Geschöpf trauen?
    »Komm«, wisperte die Stimme des Semouria in ihren Gedanken. »Hab keine Furcht.« Lautlos glitt er auf den Höhleneingang zu.
    Ajana erhob sich. Die Worte des Wächters hatten etwas Zwingendes, dem sie sich nicht entziehen konnte. Und obwohl der menschliche Teil ihres Bewusstseins sie zur Vorsicht mahnte, fühlte sich der elbische Teil fast magisch von dem seltsamen Wesen angezogen.
    Der Semouria wartete.
    Ajana machte ein paar Schritte auf ihn zu, hielt dann aber unvermittelt inne. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Sie fühlte sich sonderbar leicht und schwerelos. Ihre Füße schienen den Boden beim Gehen nicht zu berühren. Es war, als ob sie …
    Blitzartig fuhr Ajana herum und schaute zurück. Der Anblick traf sie mit der Wucht eines Hammerschlags. Zwischen Maylea und Abbas sah sie sich selbst auf dem Boden liegen, schlafend, die Augen geschlossen – und ohne zu atmen!
    »Das … das ist unmöglich, ich kann nicht … ich bin nicht …« Den eigenen Körper reglos auf dem Boden liegen zu sehen war so erschreckend, dass es ihr die Sprache verschlug.
    »Der Ort, den du aufsuchen musst, darf von keinem lebenden Wesen betreten werden«, hörte sie den Wächter sagen. »Du wirst erwartet. Die dich begleiten, sind an jenem Ort nicht willkommen. Die Ruhe der Schläfer darf nicht gestört werden.«
    »Ich bin tot!« Ajana war sichtlich erschüttert. Der Gedanke, den eigenen Körper zu verlassen, lag für sie jenseits aller Vorstellungskraft.
    »Sie schlafen. Du schläfst«, zischelte der Wächter, als wäre dies etwas ganz Natürliches. »Die Zeit spielt keine Rolle. Alles hier ist fern von dem, was ihr Menschen als Wirklichkeit bezeichnet.« Er wandte sich um und schlängelte sich auf den Ausgang zu. »Und nun folge mir. Du bist willkommen. Jene, die mich geschickt hat, erwartet dich.«
    Ajana sah ihm unentschlossen nach. Konnte sie denn einfach so fortgehen? Was würde mit ihrem Körper geschehen, wenn sie ging? Und was würde mit den anderen geschehen? Sollte sie …
    »Komm!« Die Stimme des Wächters klang bestimmt. »Sei unbesorgt«, fügte er hinzu. »Deine Begleiter sind in Sicherheit.«
    »Gibt es denn keine andere Möglichkeit, zur Höhle zu gelangen?«, fragte Ajana zögerlich.
    »Nur diese eine«, gab der Semouria mit einem Hauch von Ungeduld zur Antwort. »Und auch nur für dich.«
    Ajana hatte keine andere Wahl, als dem Wächter zu vertrauen. Energisch verdrängte sie Zweifel und Ängste und schwebte zum Höhlenausgang. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, keinen Boden unter den Füßen zu spüren und leicht wie eine Feder dahin zu gleiten, ungewohnt und angenehm zugleich. Staunend folgte sie dem Semouria aus der Höhle. Das Licht, das ihn wie eine Aura umgab, wies ihr den Weg. Die Höhle blieb dunkel hinter ihnen zurück, und Ajana überlegte, wohin das Wesen sie wohl führen würde.
    Sie wollte es gerade danach fragen, als sie eine Gestalt sah, die sich nicht weit von Bayard entfernt mit dem Rücken an die Wand des schmalen Felsspalts presste. Der Kleidung und dem Aussehen nach zu urteilen konnte das nur der Ajabani sein; er hielt den gebogenen Dolch in der einen und einen Wurfstern in der anderen Hand.
    Ajana stieß

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