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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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kleiden.
    »Du machst dir zu viele Gedanken.« Ajana lächelte zaghaft, um ihre Verwirrung vor Abbas zu verbergen. Sie konnte den Sinn seiner Worte nicht verstehen und wollte zu dieser Stunde auch nicht darüber nachdenken. »Hast du denn kein Vertrauen in die Heermeister?«, fragte sie ihn mit prüfendem Blick. »Sie alle waren davon überzeugt, dass ich zum Arnad reisen muss, um dort die Nebel neu zu weben. Ich bin sicher, sie sind sich über die Folgen im Klaren und wissen, was richtig und was falsch ist.«
    Abbas schien zu spüren, dass Ajana nicht darüber reden wollte, und hakte nicht weiter nach. »Möge Emo deine Worte erhören«, sagte er schlicht, rollte er sich gähnend auf die Seite und war bald darauf eingeschlafen.
     
    Als Ajana erwachte, war es still in der Höhle. Zu still. Sie lauschte. Weder die Atemzüge der anderen noch das Knistern der glimmenden Holzscheite waren zu hören. Sie öffnete die Augen und erschrak. In der Höhle war es auf einmal so hell, dass sie ihre Umgebung genau erkennen konnte. Verwundert setzte sie sich auf und blickte sich um. Ein patinafarbenes Leuchten strömte aus dem schmalen Felsspalt, durch den sie in die Höhle gelangt waren. Und inmitten des Leuchtens stand Bayard. Die Augen wachsam geöffnet, sah er genau in das Licht, aber er bewegte sich nicht.
    Seltsam.
    Ajanas Blick wanderte zu Maylea und Abbas. Die beiden Wunand lagen dicht neben ihr und rührten sich nicht. Auch Feanor und Keelin, die sich nahe beim Feuer niedergelassen hatten, zeigten nicht die geringste Regung. Alles war so wie zuvor – und doch hatte sich etwas verändert. Etwas, das fast greifbar in der Luft lag, das sie sich aber nicht erklären konnte.
    Sie blickte noch einmal zu Maylea und überlegte, ob sie die Wunandamazone wecken sollte, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Es war nicht die Ahnung drohender Gefahr, die sie spürte, es war etwas anderes. Etwas Unheimliches, Fremdartiges, das sie nicht in Worte fassen konnte, das …
    Ajana hielt erschrocken die Luft an.
    Maylea atmete nicht!
    Die Erkenntnis fuhr ihr wie ein eisiger Schrecken durch die Glieder. Hastig wandte sie sich um, um nach Abbas zu sehen, doch hier bot sich ihr das gleiche Bild. Auch Abbas atmete nicht. Feanor und Keelin wirkten ebenfalls wie erstarrt. Bayard zuckte nicht einmal mit den Wimpern, und selbst die Glut des Feuers wirkte wie eingefroren.
    Was ging hier vor?
    Furcht stieg in Ajana auf. Eine erdrückende Furcht, die ihr Herz umklammerte und ihr die Kehle zuschnürte. Sie wollte schreien, brüllen, um Hilfe rufen. Doch als sie den Mund öffnete, kam kein Laut über ihre Lippen.
    Die Stille war vollkommen.
    In diesem Augenblick regte sich etwas in dem erleuchteten Felsspalt. Das seltsam grünliche Licht wurde heller, und ein Schatten hob sich dagegen ab und schob sich in die Höhle. Lautlos glitt er heran, weiter umgeben von dem fremdartigen Leuchten. Der unheimliche Schatten dehnte und streckte sich, streifte Bayards Gesicht und kroch schließlich wie ein finsterer Wurm an der Höhlenwand empor.
    Das Leuchten wurde heller, der Schatten wuchs.
    Inzwischen war es so hell, dass Ajana die feinen Risse im Gestein der Wände sehen konnte. Mit angehaltenem Atem starrte sie auf den Höhleneingang, wo Bayard noch immer so unerschütterlich dastand wie die Statue eines Kriegers.
    Und dann sah sie es.
    Im gleißenden Licht wand sich der dunkle Körper eines aalähnlichen Wesens langsam in die Höhle hinein. Der glatte, schieferfarbene Leib musste mehr als sechs Meter lang sein und war so breit wie die Schultern eines ausgewachsenen Mannes. Knapp unterhalb des Kopfes sprossen zwei Flügel hervor, die seltsam fehl am Platz wirkten und so klein waren, dass sie sich gewiss nicht zum Fliegen eigneten. Kopf und Leib der monströsen Kreatur bildeten eine vollkommene Einheit, und das sonderbar grünliche Leuchten verlieh dem Geschöpf eine gespenstische Aura.
    Ajana wollte aufspringen und fliehen, doch ihr Körper war wie erstarrt und gehorchte ihr nicht. Mit einer Mischung aus Furcht und Entsetzen beobachtete sie, wie das Wesen mit geschmeidig schlängelnden Bewegungen auf sie zuglitt. Dann war es ganz nah. Die nachtschwarzen Augen starrten Ajana an und hielten ihren Blick gefangen, als es sich langsam vor ihr aufrichtete.
    »Du wirst erwartet!«
    Obwohl sich sein Maul nicht bewegt hatte, wusste Ajana, dass das Wesen zu ihr gesprochen hatte.
    »Wer bist du?« Ihrem Gespür folgend, verzichtete sie darauf, laut zu sprechen, und formte

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