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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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und hingen träge zwischen den Monden und der Dunkelheit der schlafenden Steppe. Die Nacht ging ihrem Ende entgegen.
    Er musste handeln – und zwar sofort.
    Abbas warf einen letzten Blick zu den Gebäuden, hinter deren Mauern er Maylea vermutete. Auf seinem Gesicht zeichnete sich grimmige Entschlossenheit ab. Er hatte keine Wahl. Ohne seine Hilfe war die junge Wunand verloren.
    Ungeachtet der stechenden Schmerzen, die ihm der lange und ungewohnte Ritt eingebracht hatte, lief er in die Senke hinab und nahm das Pferd am Zügel. Das Tier war seine einzige Deckung. Er wusste, dass es kein sonderlich aussichtsreicher Plan war, sich hinter einem Pferdekörper zu verbergen, doch es war der einzige, den er hatte, und er war entschlossen, es zu versuchen. »Mögen Emo und ihre Schwestern die Augen und Ohren der Schlafenden verschlossen halten«, wünschte er sich selbst Glück und machte sich daran, die letzten Speerweiten bis zu den Hütten im Schutz des Pferdes zu überwinden.
     
     
     
    »Bist du bereit?« Obwohl Keelin unmittelbar neben Ajana auf der Uferböschung stand, erklang seine Stimme wie aus weiter Ferne.
    Sie hatten den Arnad erreicht, jenen breiten, träge dahinfließenden Strom, der die Heimat der Vereinigten Stämme Nymaths im Süden von der Wüste im Norden trennte. Nach dem langen, scharfen Ritt durch die eintönige Landschaft hatte es fast etwas Unwirkliches an sich, so viel Leben spendendes Wasser inmitten der kargen Steppe zu sehen. Doch der Fluss wirkte so falsch, als wäre er nur ein Trugbild, das die Natur dürstenden Reitern vorgaukelte.
    Kein Schilf erhob sich über der flachen Uferregion, keine Büsche säumten den Flusslauf. Nirgends gab es Anzeichen von Leben. Der Arnad schien so leblos wie die Landschaft, die sich im milden Mondlicht von seinen Ufern bis zum Horizont erstreckte.
    Dessen ungeachtet hatten sie die Pferde trinken lassen, sich den Staub von den Gesichtern gewaschen und die Wasserschläuche für den langen Rückweg aufgefüllt.
    Bayard führte die Pferde fort und band sie an dem bleichen Skelett eines hohlen Baumstamms fest, damit sie nicht wieder zum Wasser liefen. Dann gesellte er sich zu Ajana und Keelin und blickte wie sie für eine Weile schweigend auf die silbern schimmernden Fluten.
    Es ist Zeit.
    Ajana wandte sich ihren Begleitern zu. Ihre Bewegungen waren ungewohnt schwerfällig und steif. Wortlos sah sie die beiden an, den bärtigen, entschlossenen Heermeister und den wachsamen jungen Falkner, dessen Anblick ihr Herz auf wundersame Weise berührte. Sie waren die Einzigen, die übrig geblieben waren von jenen, die von der Festung am Pass aufgebrochen waren, um hier an den Ufern des Arnad ein neues Kapitel in der Geschichte Nymaths zu schreiben.
    Die Einzigen.
    Wozu noch?
    Plötzlich keimten die Zweifel wieder in ihr auf. Warum sollte sie die Magie über dem Fluss neu entstehen lassen, wenn die Uzoma doch längst diesseits des Arnad waren und es nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, bis ihnen die Festung am Pass in die Hände fiele?
    Quälender Argwohn schlich sich in Ajanas Gedanken, und sie schämte sich dafür. Nicht Unsicherheit, sondern Zuversicht war es, die sie hierher geführt hatte. Wie konnte sie jetzt, so kurz vor dem Ziel, alles in Frage stellen, woran die Menschen von Nymath glaubten? Jetzt, wo der Augenblick gekommen war, da sich ihre Bestimmung erfüllte?
    Ajana schloss die Augen und atmete tief durch.
    Mit einer enormen Willensanstrengung gelang es ihr, die aufkommende Unsicherheit zu verdrängen. »Ja, ich bin bereit«, sagte sie mit gefasster Miene und hoffte, dass die Männer nicht bemerkten, wie sehr ihre Stimme bebte. Vorsichtig zog sie das Amulett unter ihrem Gewandt hervor, schloss die Finger darum und schritt die Uferböschung hinab.
    Sie spürte, wie die Blicke der Männer ihr folgten, doch sie schaute nicht zurück. Entschlossen ging sie auf das Wasser zu und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Nicht nachdenken!
    Nur noch wenige Schritte trennten sie vom Fluss. Wenige Schritte auf einer öden, steinigen Fläche, auf der nichts von dem überlebt hatte, was hier einst gewachsen war. Unmittelbar vor dem Wasser verweilte sie, öffnete die Hand, besah das Amulett und erinnerte sich an die Botschaft, die Gaelithil ihr mit auf den Weg gegeben hatte:
    Eine Strophe für jede Rune. Berühre sie einzeln, um die Mächte anzurufen. Beginne mit Dagaz und folge dem Amulett bis Laguz.
    Dagaz.
    Sanft, fast

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