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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Kopf, Überraschung und Unglaube im Blick, doch ihm blieb nicht die Zeit, einen Warnruf auszustoßen. Mit einem Geschick, das einem Ajabani zur Ehre gereicht hätte, schleuderte ihm Abbas das Küchenmesser entgegen. Blitzend flog es durch die Luft und bohrte sich in die ungeschützte Kehle des Uzomas, ehe dieser die Gefahr überhaupt erkannte. Das zweite Messer durchstieß sein Auge, das dritte fand sicher den Weg mitten ins Herz.
    Der Uzoma gab einen erstickten Laut von sich. Für wenige Augenblicke stand er noch aufrecht da, dann sackte er in sich zusammen und glitt zu Boden, eine blutige Spur auf dem hellen Lehm hinterlassend.
    Abbas wartete noch einige bange Herzschläge lang, aber der Posten rührte sich nicht mehr. Mit einem raschen Blick in alle Richtungen vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe war, und rannte zum Kerker hinüber. Unter Aufbietung all seiner Kräfte packte er den leblosen Körper des Wachtpostens unter den Achseln und schleifte ihn hinter einen nahen Fässerstapel. Ein letzter Blick zum nahen Hügel bestätigte ihm, dass ihn noch keiner gesehen hatte. Dann öffnete er die Tür zum Kerker, um nach Maylea zu suchen.
    Der durchdringende Gestank im Innern des Gebäudes verriet ihm, was ihn erwartete, noch ehe sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Es roch nach fauligem Essen, nach Blut, Exkrementen und Verwesung. Aasfliegen schwirrten überall umher. Ihre enorme Anzahl ließ vermuten, dass sie hier reichlich Nahrung fanden.
    Angewidert presste sich Abbas den Ärmel seines Gewandes auf Mund und Nase. Er hatte sich getäuscht. Dies war nicht nur ein Kerker, es war ein Haus des Todes, das vermutlich niemand lebend verließ, der erst einmal über die Schwelle dieser Tür geschafft worden war.
    Bis auf das Summen der Fliegen war es still. Es kostete Abbas große Überwindung, den ersten Schritt in Richtung der Fackel zu machen, die den schmalen Gang zwischen den einzelnen Verliesen erhellte. Die zögerliche Bewegung scheuchte augenblicklich kleines Getier auf, das quiekend und raschelnd in die Dunkelheit flüchtete; ansonsten blieb es still.
    Abbas zog eine Fackel aus der Halterung und sah sich um.
    Wo sollte er mit der Suche beginnen?
    Alle Türen waren von außen verriegelt. Schlösser gab es keine. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie zu öffnen, um nachzusehen, was sich dahinter verbarg. Doch Abbas fürchtete sich vor dem Anblick, der ihn erwartete.
    »Maylea?« Leise, fast zaghaft kam ihm der Ruf über die Lippen. Er lauschte, doch jenseits der Dunkelheit und der eigenen Atemzüge war nichts als das Scharren der kleinen Nager zu hören, die auf geheimen Wegen emsig im fauligen Stroh herumhuschten.
    »Maylea?« Abbas rief etwas lauter.
    Hinter einigen Türen regte sich etwas. Krächzende, stöhnende und klagende Laute ertönten, die nichts Menschliches an sich hatten und ihm einen eisigen Schauer über den Rücken jagten. Der Gedanke an das Grauen, das in den Kammern lauerte, schnürte ihm die Kehle zu.
    Immer darauf bedacht, den Türen nicht zu nahe zu kommen, wagte sich Abbas ein Stück weiter in den Gang hinein. Er musste Maylea finden, und das sehr bald. Jeden Augenblick konnte die Leiche des Wachtpostens entdeckt werden. Wenn er sie bis dahin nicht befreit hatte, war es aus.
    Aber wie?
    Das Wissen um die knappe Zeit lähmte seine Gedanken. Er überlegte fieberhaft, fand jedoch keine Lösung.
    Plötzlich hörte er ein leises Husten.
    Maylea?
    Abbas lauschte.
    Da war es wieder, und es kam eindeutig von einer Frau. Langsam näherte sich Abbas der Tür, hinter der er das Geräusch vermutete. Ein letztes Zögern, dann stieß er die Tür auf und leuchtete mit der Fackel hinein. Das Verlies war klein und finster. Bis auf einen Haufen faulenden Strohs auf einer schmalen Pritsche, die vermutlich schon Generationen von Gefangenen als Lager gedient hatte, und einen übel riechenden Abortbehälter war es so gut wie leer. Durch den Luftspalt und ein Loch im Mauerwerk, das verzweifelte Hände vermutlich in unermüdlicher, doch sinnloser Arbeit geschaffen hatten, fiel ein wenig Tageslicht auf den Boden und gab den Blick frei auf etwas Pelziges, das in einer Ecke vor sich hinfaulte und einen furchtbaren Gestank verströmte.
    Abbas sah nicht näher hin. Sein Blick ruhte voller Sorge auf der verkrümmten Gestalt, die auf dem nackten Boden nahe der Tür lag und kaum atmete. Maylea!
     
     
     
    »Ihr müsst es ihnen sagen, ehrwürdige Priesterin. Ihr müsst zu Eurem Volk sprechen.« Kwamin

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