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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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durchbrochen wurde. Dann brandete auf den Wehrgängen begeisterter Jubel auf, der sich rasch über die ganze Festung ausbreitete.
    »Der Feind ist geschlagen!«, hörte Inahwen den Meldegänger neben sich ausrufen. »Wir haben gesiegt!« Die Augen des Jungen glänzten vor Stolz, und die Erleichterung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
    … Gesiegt? Inahwen blickte nach Osten, wo über den Gipfeln des Pandarasgebirges die ersten Streifen des Morgenrots zu sehen waren. Hatten sie wirklich gesiegt? Die Elbin vermochte es nicht zu sagen. Auch sie hatte nicht wirklich eine Erklärung dafür, warum die Uzoma sich zurückzogen, doch sie hatte immerhin eine Vermutung.

 
     
     

     
     
    »Es ist vorbei!«
    Wie aus weiter Ferne hörte Ajana Keelins Worte, die das Chaos in ihrem Innern kaum zu durchdringen vermochten.
    Was ist gut? Was ist böse?
    Sie hatte keine Wahl gehabt, das wusste sie. Mit ausdrucksloser Miene blickte sie auf die wogenden Nebelschleier, die nun so dicht waren, dass sie das jenseitige Ufer vor ihren Augen verbargen.
    Sie hatte diese Nebel geschaffen, die uralte Elbenmagie erneut zum Leben erweckt, wie es ihre Bestimmung war. Doch jetzt, da sie mit eigenen Augen sah, was sie vollbracht hatte, beschlich sie ein beklemmendes Gefühl. Plötzlich erschien ihr die Magie wie ein finsterer Schatten, ein dunkles Spiegelbild ihrer selbst, das irgendwo in den Tiefen ihres Bewusstseins schlummerte und nur darauf wartete, zu erwachen und sich zu entfalten. Sie hatte getan, was man von ihr erwartet hatte, aber Stolz fühlte sie keinen.
    War es richtig?
    Nicht ein einziges Mal hatte sie auf der langen, gefahrvollen Reise daran gezweifelt, dass sie Gutes tat, indem sie die Nebel neu wob. Doch jetzt, da alles vorbei war, da ihr elbisches Erbe sich zurückzog und ihr menschliches Selbst wieder die Kontrolle über ihre Gedanken übernahm, überkamen sie plötzlich Zweifel.
    War es falsch?
    Was war gut daran, ein Volk zu verbannen? Hatten denn nicht auch die Uzoma ein Recht darauf, in ihre alte Heimat zurückzukehren? War ihr Wunsch, diese karge und lebensfeindliche Wüstenlandschaft zu verlassen, nicht allzu verständlich?
    Aber wie sollte dann Frieden herrschen in Nymath?
    Ajanas Blick hing wie gebannt an den Nebeln, die über dem Fluss wallten. Mit Beginn der Dämmerung war ein leichter Wind aufgekommen, der zunächst sanft und böig, dann immer kräftiger über die Ebene blies. Er ließ die trockenen, steifen Halme des Stachelgrases erzittern und trug den feinen Sand mit sich fort. Die Nebel aber berührte er nicht.
    Ajana seufzte. Sie fühlte sich leer und ausgebrannt, und es kam ihr so vor, als wäre ihr Leben völlig durcheinander geraten. Beiläufig strich sie sich eine Haarsträne aus der Stirn und bemerkte, dass sie das Amulett noch immer fest umklammert hielt. Ein schwaches Glühen drang durch ihre Finger. Die Magie war noch nicht völlig erloschen.
    Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie daran dachte, was sie empfunden hatte, als sie die Mächte der Ahnen angerufen hatte. Sie hatte diese Macht genossen. Die Magie war wie ein Rausch gewesen, eine Trunkenheit, die in ihr ein nie gekanntes Gefühl von Macht und Unbesiegbarkeit geweckt hatte, nach dem sich ein Teil von ihr schon jetzt verzweifelt sehnte – und das ein anderer Teil ebenso fürchtete.
    Lass los! , wisperte eine Stimme in ihrem Innern.
    Ajana seufzte. Es schien so leicht. Sie musste nur das Amulett loslassen, und das Erbe würde sich wieder dorthin zurückziehen, wo es seit sechzehn Jahren geschlummert hatte. Dann konnte sie ihr Leben neu in Besitz nehmen, als wäre nichts geschehen, und zurückkehren zu dem, wer und was sie gewesen war.
    Aber war es wirklich so leicht?
    Etwas zupfte warnend an ihrem Innern, jener Teil ihres Selbst, der sich Vernunft nannte und der ihr zuflüsterte, dass sie es sich zu einfach machte. Die Mächte, die sie geweckt hatte, würden von nun an immer da sein und sie wie ein dunkler Zwilling begleiten. Schon jetzt spürte Ajana, dass sie mit Hilfe des Amuletts weitaus mehr vollbringen konnte, als man ihr offenbart hatte. Es war nicht nur Mittel zum Zweck. Es war mehr. Viel mehr. Es hatte die Magie uralter Mächte in ihr geweckt, und diese waren von nun an ein Teil von ihr. Ob Heil bringend oder zerstörend, lag allein in ihrer Hand. Aber sie fühlte, dass sie längst nicht ermessen konnte, was noch alles daraus erwachsen mochte.
    »Du warst bewundernswert.« Keelin setzte sich neben Ajana, legte ihr wie

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