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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Felsgestein, ist die unsterbliche Seele der Elbenpriesterin weiter an Nymath gebunden. Als die Magie der Nebel schwand, erschien sie mir zum ersten Mal.« Die Alte verstummte. Den Blick starr auf das Feuer gerichtet, als könnte sie die Bilder dieser Visionen noch einmal zurückholen, verharrte sie in ehrfürchtigem Schweigen. Und diesmal wagte keiner, das Wort zu erheben. Die Stimme der weisen Frau war nicht mehr als ein Flüstern, als sie schließlich fortfuhr: »Gaelithil zeigte mir die Bilder ihres Lebens und ließ mich teilhaben an dem, was ihr widerfahren war. Aus Furcht, das Wissen um das Nebellied könne auf ewig verloren sein im endlosen Fluss des Schicksals, trug sie mir auf, es zu bewahren, in der Hoffnung, dass die wahre Nebelsängerin den Weg nach Nymath auch ohne Hilfe finden werde.« Plötzlich riss sie die Arme in die Höhe, hob den Kopf und rief mit seltsam veränderter Stimme: »›Jene, die meines Blutes ist, wird zu dir kommen, auf dass du ihr den rechten Weg weisest. Trage ihr auf, die Berge zu überwinden und die Höhle der Seelensteine aufzusuchen. Sie soll ohne Furcht zu mir kommen, denn das Amulett wird sie vor dem zerstörerischen Wesen des Semouria schützen. Als meine Tochter will ich sie empfangen und ihr das verlorene Wissen preisgeben, auf dass sie die magischen Nebel neu entstehen lässt.‹« Die Arme der Alten sanken müde herab, das Feuer in ihren Augen, das die soeben gesprochenen Worte begleitet hatte, erlosch, und die Stimme war wieder so spröde wie zuvor. »Ja, das waren ihre Worte. Ich beneide dich nicht um die Bürde, die das Schicksal dir auferlegt hat«, sagte sie an Ajana gewandt. »Doch ich spüre, dass du das Erbe Gaelithils in dir trägst, und ich weiß, dass du stark genug bist, diese Aufgabe anzunehmen.«
    »Dann finden wir hier also nicht die Antwort, nach der wir suchen.« Nach der langen Rede war Bayard die Enttäuschung deutlich anzusehen. Wie Gathorion und Inahwen hatte auch er gehofft, die alte Frau selbst könne Ajana das wertvolle Wissen vermitteln, das ihr weiterhelfen würde.
    »Gaelithil erwartet dich.« Wieder richtete die Alte das Wort nur an Ajana und ergriff deren Hand mit dürren Fingern. »Du bist jung, und du bist stark«, sagte sie, und ein leichter Ton des Bedauerns schwang in ihrer Stimme mit. »Das Schicksal Nymaths liegt in deinen Händen. Vertraue auf dein Erbe und verzage nicht. Die Magie der Runen wird dir beistehen.«
    Ajana schwieg lange und starrte in die Flammen. »Das ist eine sehr traurige Geschichte«, sagte sie schließlich.
    »Ja.« Die Alte nickte, hob die Hand und berührte kurz Ajanas Wange. Das Feuer zauberte Schatten auf ihre Züge, die sie noch älter und greisenhafter erscheinen ließen – vielleicht so alt, wie sie wirklich war. »Eine alte und traurige Geschichte, aber auch ein Erbe, das an dich weiterzugeben mir aufgetragen wurde. Denn du bist Gaelithils letzte lebende Nachkommin.«
    »Die Letzte!« Ajana wiederholte die Worte, als spürte sie die Last, die dieses Erbe ihr aufbürdete. Ein Erbe, das in seinen Auswirkungen viel zu gewaltig war, als dass sie es wirklich begreifen konnte.
    »Die letzte weibliche Nachfahrin ihres Blutes.« Die Alte nickte schweigend. Mit den Blicken folgte sie der dünnen Rauchfahne des Feuers, die durch ein Loch in der Hüttendecke abzog und sah ihr nach, als könnte sie dort oben etwas erkennen, das den anderen verborgen blieb.

 
     
     

     
     
    Die Abenddämmerung war schon hereingebrochen, als Bayard, Inahwen und Ajana den letzten Hang hinter sich ließen und unter dem steinernen Torbogen hindurch ins Innere der Festung ritten.
    Von der beschaulichen Ruhe, die bei ihrem zeitigen Aufbruch geherrscht hatte, war nichts mehr zu spüren. Obwohl das Tageslicht längst schwand, glich die Festung einem Ameisenhaufen, in den man einen Stock gestoßen hatte. Krieger eilten geschäftig vorbei oder entluden mit Hebevorrichtungen Baumstämme von hölzernen Karren, die sie aus den nahen Wäldern herbeigeschafft hatten. Um jeden der Stämme wurden dicke Seile gelegt; kräftige Pferde zogen sie sodann ins Innere der Festung, wo an ausgewählten Plätzen unter den Händen kundiger Zimmerleute die gewaltigen Pfeilkatapulte gebaut wurden, welche die Festung gegen die erwarteten Lagarenangriffe schützen sollten.
    Die Wachen grüßten respektvoll, als sie Bayard erkannten, doch der Heermeister nickte ihnen nur kurz zu und lenkte das Pferd in verlangsamtem Trab zwischen den Hindernissen hindurch. Inahwen

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