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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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waren nötig, um diesen unschuldigen Wesen ein so unermessliches Leid anzutun?
    Kinder wurden in Andaurein immer dann geopfert, wenn der Regen ausblieb. Es war ein langes und grausames Ritual. Die Opferkinder bekamen keinen Banbuck, der ihre Gefühle lähmte. Kindertränen galten als gutes Zeichen für Regen. Je mehr Tränen flossen, desto mehr Regen würde fallen. So litten gerade die Kleinsten und Unschuldigsten auf ihrem letzten Weg entsetzliche Qualen, ehe das Opfermesser ihrem Leid ein Ende bereitete.
    Jarmils Hand umkrampfte das Heft seines Kurzschwerts so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Jedes Mal, wenn er in die Gesichter verängstigter Kinder blickte, glaubte er darin das Antlitz seiner Tochter zu sehen, die er nicht hatte beschützen können, und er fragte sich, wie es ihr wohl ergangen sein mochte, als sie die Stufen zum Altar erklommen hatte.
    »Du musst zu ihnen sprechen!« Maimuns Hand legte sich sanft auf seine Schulter und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Dennoch dauerte es einige Herzschläge, bis es ihm gelang, die Schwäche zu überwinden und den Wunsch nach Rache wieder in jenen Winkel seines Bewusstseins zu verbannen, in dem er so lange schlummern würde, bis seine Zeit gekommen war.
    Schließlich nickte er Maimun zu, straffte sich, atmete tief durch und richtete das Wort an die Gefangenen.
    »Dulder des Tyrannen, hört mir zu: Als gewählter Anführer der Streiter Callugars heiße ich euch als meine Gäste willkommen. Ich weiß, ihr seid auf dem Weg zum Opferfest, doch eure Reise endet hier. Eine Gruppe meiner Getreuen wird euch in eines unserer Lager begleiten, in dem ihr unsere Gäste sein werdet. Solltet ihr nicht dagegen aufbegehren, könnt ihr nach dem Fest unbehelligt wieder in euer Dorf zurückkehren. Bis dahin …«
    »Aber die Opfer müssen zum Tempel gebracht werden!« Eines der Stammesoberhäupter trat vor und deutete auf den Käfig, in dem Miya und Yenu gefangen saßen. »Erreicht die Opfergabe den Tempel nicht rechtzeitig, wird mein Dorf hart bestraft.«
    »Keine Sorge!« Ein schwer zu deutendes Lächeln umspielte Jarmils Mundwinkel. »Die Opfergabe wird den Tempel pünktlich erreichen.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause und fügte höflich hinzu: »Und nun darf ich euch bitten, die Festgewänder abzulegen, damit wir die Opfergabe an eurer Statt zum Tempel bringen können.«
    »Was ist mit meinem Sohn?«, rief eine Mutter ängstlich aus.
    »Die Kinder sind ebenfalls unsere Gäste.« Jarmils Stimme hatte nichts von ihrer Freundlichkeit verloren, was seine Worte angesichts der Lage umso bedrohlicher erscheinen ließ. »Sie werden in ein anderes Lager gebracht und dort das Ende des Festes abwarten. Wenn ihr euch friedlich verhaltet, werdet ihr sie alle gesund wieder sehen. Für jeden versuchten Verrat oder Ausbruch hingegen haben meine Männer den strikten Befehl, eines von ihnen hinzurichten.« Seine Stimme wurde eine Spur schärfer. »Ich rate Euch daher dringend davon ab, an dergleichen auch nur zu denken. Meine Streiter haben ihre Befehle und werden nicht zögern, sie auszuführen.« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Und jetzt: Zieht euch aus.«

 

     
     
     
     
     
    Noch nie waren Keelin, Inahwen und die anderen so schnell geritten wie in dieser Nacht. Der rote Wüstensand flog unter den Hufen der Pferde dahin, während das Licht des Elbenstabs ihnen unerschütterlich die Richtung wies.
    Wenn sie weiter so gut vorankamen, würden sie Andaurien schon gegen Ende der folgenden Nacht erreichen, dessen war Keelin sich sicher. So setzten sie alles daran, Ajana und Abbas einzuholen, ehe diese den Fuß auf andaurischen Boden setzten. Dass die beiden nur noch ein Pferd hatten und deshalb sehr langsam ritten, kam ihnen gerade recht.
    Weit vor Sonnenuntergang hatten sie ihr Lager abgebrochen und ritten nach einer Nacht ohne Rast so lange in den Morgen hinein, bis die Hitze den Pferden derart zusetzte, dass ein Fortkommen unmöglich wurde.
     
    »Wie weit sind sie uns noch voraus?« Inahwen hatte ihr Pferd mit Wasser und Futter versorgt. Sie stapfte durch den weichen Sand und setzte sich neben Keelin, der Horus trotz der sengenden Hitze hatte aufsteigen lassen und ihn auf seinem Flug begleitete.
    Er wandte sich ihr zu, antwortete jedoch nicht sofort.
    Wie blass sie ist! Der Gedanke tauchte wie von selbst in seinem Bewusstsein auf. Obwohl Inahwen der Sonne nun schon so lange ausgesetzt war, zeigte die Haut der Elbin weder eine leichte Bräune noch Spuren von

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