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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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über Vergangenes nachzugrübeln. Jetzt galt es vorauszuschauen. Es sah ganz so aus, als hätten Ajana und Keelin ein Pferd verloren. Das wenige Gepäck ließ zudem darauf schließen, dass sie kaum noch Vorräte besaßen.
    Und Andaurien war noch weit …
    Keelin sandte Horus einen liebevollen Gedanken und wies ihn an zurückzukehren, damit Ajana und Abbas ihn nicht bemerkten. Dann löste er sich vom Geist des Falken und erhob sich, um den anderen von der Entdeckung zu berichten.
     
     

    ***
     
    Miyas Welt war ein schaukelndes Einerlei verschwommener Farben, wirrer Geräusche und verzerrter Stimmen, die keinen Ursprung zu haben schienen und auch keinen Sinn ergaben.
    Manchmal entfloh sie der grotesken Wirklichkeit in einen leichten Halbschlaf, der das Rumpeln der Räder und die Geräusche ringsumher auffing und mit verworrenen Bildern aus ihren Erinnerungen verknüpfte.
    Sie war ein Kind und saß auf einem Handkarren, den ihre Mutter zum Markt zog. Sie spürte Blicke im Nacken, wandte sich um und schrie entsetzt auf. Hinter ihr lagen unzählige Querlas, die ihr Vater am Morgen gefangen hatte und die ihre Mutter nun auf dem Markt feilbieten wollte. Aber sie waren nicht tot – sie zappelten wie wild. Die grauenhaft verzerrten Gesichtszüge strotzten vor Hass, die geöffneten Mäuler entblößten eine Reihe messerscharfer Zähne. Zunächst waren es nur wenige, doch dann wurden es immer mehr, die hochsprangen und nach ihr schnappten. Binnen weniger Augenblicke wurde aus der Fracht eine hüpfende und tanzende Masse silberner Fischleiber. Miya schrie um Hilfe, schrie und schrie, aber ihre Mutter hörte sie nicht. Schon packten die ersten Querlas sie am Gewand, um sie in den Karren zu zerren. Sie kreischte voller Panik, schlug wild um sich und versuchte, sie abzuschütteln. Aber es wurden immer mehr. In Todesangst packte sie die Fische mit bloßen Händen und zerrte an ihnen, um sie loszuwerden. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und stürzte kopfüber in die wimmelnde Masse der blutgierigen Querlas …
    Jemand hielt sie fest. Aber sie wollte nicht festgehalten werden. Sie wollte fort, nur fort von den zappelnden Querlas, die ihr das Fleisch von den Knochen rissen. Sie wollte leben! Sie schrie, wand sich und trat um sich, als sei sie immer noch inmitten der Fischleiber gefangen, doch die zupackenden Hände gaben nicht nach. Gewaltsam wurde ihr der Mund geöffnet, und eine Flüssigkeit, die wie Feuer brannte, rann ihr die Kehle hinab. Sie hustete und spuckte und konnte doch nicht verhindern, dass sich das Feuer weiter in ihr ausbreitete. Ihr wurde heiß. Furchtbar heiß. Das Bild der Querlas wich dem Anblick einer brennenden Hütte, von der sie wusste, dass es ihr Heim war. Wie damals sah sie ihre Mutter davonrennen, die den Brand gelegt hatte, und wie damals rannte sie ihr nach. Sie war hilflos und klein. Ein Kind noch, das weinend nach der Mutter rief. Im Traum waren es nur wenige Schritte zum Pilan. Schon stand sie am Ufer. Sie sah ihre Mutter auf der Hängebrücke stehen, sah, wie sie noch einmal zu ihr herüberblickte, zögerte und sprang …
     
    »Miya! Miya, beruhige dich!« Yenu streckte die Hand aus und versuchte sich aufzurichten, aber sie war zu schwach und konnte ihre Freundin nicht erreichen.
    Miya hockte zusammengekauert in einer Ecke des Schilfrohrkäfigs. Sie hatte die Knie angewinkelt, die Arme darum geschlungen und schluchzte wie ein Kind. Yenu beobachtete sie voller Mitgefühl. Sie hört mich nicht, dachte sie bei sich und rief sich in Erinnerung, dass sie schon ein paar Mal vergeblich versucht hatte, Miya anzusprechen.
    Schuld daran war der Banbuk-Trank, ein berauschendes Getränk, das aus Fasern von Schlingpflanzen gewonnen wurde. Die Heiler der Hedero verwendeten es, um Schmerzen zu lindern, und die Priesterinnen schätzten die Wirkung, um die zur Opferung Auserwählten ruhig zu stellen.
    So wie Miya … und mich. Yenu spürte, wie ihre Kehle bei dem Gedanken an das, was kommen würde, eng wurde. Sie war sich nicht sicher, wie lange sie schon unterwegs waren, und wusste nicht, wie weit es bis zur Tempelstadt war. Sie wusste nur, dass sie Angst hatte. Furchtbare Angst. Jedes Mal, wenn der Karren anhielt, zuckte sie zusammen und rechnete mit dem Ärgsten.
    Wäre sie bei Kräften gewesen, hätte sie vermutlich aufbegehrt – so wie Miya. Da sie aber noch mit den Nachwirkungen des Urwargiftes zu kämpfen hatte, kraftlos war und viel schlief, blieb ihr der Banbuck-Rausch erspart.
    So galt ihre

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