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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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trägt keinen Bart mehr«, rief sie aus.
    »Er ist ein kluger Falkner.« Inahwen wirkte erleichtert. »In den Gewändern und ohne Bart wird Vhara ihn gewiss nicht erkannt haben.«
    »Dann wird alles gut.« Ajana atmete auf Keelin war wohlauf. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis sie ihn wieder in die Arme schließen konnte.
     
     

    ***
     
    Der Jubel der Menge begleitete Keelin auf dem Weg über die Freifläche, vorbei an den Galgen, an denen man später die Gefangenen kopfüber aufhängen würde, und den abertausend Menschen, die sich zu beiden Seiten der Freifläche drängten, bis hin zu dem wuchtigen Gerüst, in dem die Felis mit gespreizten Armen und Beinen hing.
    Eine Felis. Schon der Name weckte tiefe Ehrfurcht in Keelin. Wie alle Angehörigen der Vereinigten Stämme empfand auch er eine große Dankbarkeit gegenüber den geheimnisvollen Katzenwesen, denen die Angehörigen der Fünf Stämme ihr Leben verdankten.
    Ich erwarte von dir, dass du morgen beim Gottesurteil daneben schießt.
    Vharas Worte kamen ihm in den Sinn, und er spürte, wie die Verzweiflung erneut nach ihm griff. Die ganze Nacht schon hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, ob es einen Weg gab, Vharas Befehl zu umgehen und die Felis dennoch zu retten. Aber wie er es auch drehte und wendete, die Lage schien aussichtslos.
    »Rette sie!«
    »Du schaffst es!«
    »Freiheit für die Felis!«
    Die Zurufe, die aus der Menge bis zu ihm vordrangen, machten deutlich, dass die Menschen große Hoffnungen in ihn setzten. Niemand hier wollte die Felis sterben sehen – niemand außer Vhara und den Priesterinnen.
    Keelin atmete tief durch. Angesichts der vielen Krieger, die, mit Bogen, Speeren und Schwertern bewaffnet, den Rand der Freifläche säumten, erschien es ihm nahezu unmöglich, die Felis zu retten, ohne selbst getötet zu werden. Die Worte der Hohepriesterin waren eindeutig. Wenn er das Seil traf, war sein Leben verwirkt.
    Der Krieger der Tempelgarde, der die Felis töten sollte, blieb bei der ersten Standarte stehen und nahm den Bogen zur Hand. Noch vierzig Schritte. Keelin zählte mit, während er an dem Gerüst vorbei zum vorbestimmten Platz des Gottesboten schritt. Aus den Augenwinkeln sah er Horus am Himmel kreisen. Der Falke wusste genau, was zu tun war. Wie schon beim Turnier am Vortag würde er auch diesmal wieder Keelins Augen ersetzen – ganz gleich, welches Ziel er anvisierte.
    »Keelin!« Der verhaltene Ruf aus der Menge ließ Keelin herumfahren. Die Stimme war nicht lauter als die anderen Rufe und ging im allgemeinen Lärmen fast unter, berührte ihn aber dennoch auf wundersame Weise.
    Ajana!
    Keelins Herz machte vor Freude einen Satz, als er sie nur ein paar Schritte entfernt inmitten der Menschen entdeckte. Sie hatte auf ihn gewartet. Jetzt war sie hier. Ganz nah – und plötzlich wusste er, was er zu tun hatte.
    Kurz begegneten sich ihre Blicke, und er lächelte ihr zu. Dann nahm er seinen Bogen und den einzigen Pfeil zur Hand, den er zur Verfügung hatte, und gab das Zeichen, dass er bereit war.
    Die Trommeln ertönten.
    Auf dem Platz wurde es still. Eine gespannte Erwartung lag in der Luft, die sich unter dem rhythmischen Trommelklang weiter steigerte. Keelin stand ganz ruhig, während ihm die Augen mit einem Tuch verbunden wurden. In Gedanken war er bereits bei Horus. Horus hatte auf der Querstange der Standarte Platz genommen, die den Standort des Gottesboten markierte. Niemand beachtete ihn. Mit den Augen des Falken sah Keelin, was ihm sonst verborgen geblieben wäre. Die angespannten Gesichter der Umstehenden, die gefesselte Felis, den Krieger der Tempelgarde, der vierzig Schritte entfernt auf seinen Einsatz wartete.
    Mit geübter Ruhe nahm er den Bogen in die Hand, legte den Pfeil auf die Sehne und sandte Horus in Gedanken ein Zeichen. Gehorsam richtete der Falke den Blick geradeaus.
    Keelin ließ sich Zeit …
    Er hatte nur den einen Schuss, und der durfte das Ziel nicht verfehlen.
     
     

    ***
     
    Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Suara, wie dem Gottesboten die Augen verbunden wurden. Ihre Hand umklammerte das Blasrohr so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Unbemerkt hatte sie es aus der Tasche genommen, hielt es aber so versteckt, dass es nicht zu erkennen war. Der rechte Augenblick war noch nicht gekommen. Wie Oxana würde auch sie erst dann schießen, wenn der Gottesbote das Ziel anvisierte und alle Blicke auf ihn gerichtet waren.
    Sie hörte, wie die Umstehenden den Auserwählten anfeuerten

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