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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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und flüsterte ihm etwas zu. Dann ritten sie los.
     
     

    ***
     
    Ajana hatte Glück.
    Die Zeit der Obstreife war längst vorbei, dennoch entdeckte sie auf einer Lichtung im Wald einen wilden Apfelbaum, an dem noch Früchte hingen. Es waren die für Nymath typischen kleinen Äpfel von braungelber Farbe, die sie schon häufig auf dem Markt in Sanforan gesehen hatte, aber Frost und Regen hatten ihnen arg zugesetzt. Viele waren von Vögeln angefressen und teilweise auch schon faulig, aber Ajana fand dennoch genügend halbwegs essbare Früchte, um den größten Hunger zu stillen. Ihre Stute war weit weniger wählerisch. Genüsslich machte sie sich über alle Äpfel her, die Ajana fallen ließ, und verlangte nach mehr, indem sie ungeduldig mit dem Huf scharrte.
    Mit leidlich gefülltem Bauch setzte Ajana den Ritt schließlich fort. Anders als noch in der Nacht zuvor, umging sie diesmal die meisten Baumstämme, die den Weg versperrten, indem sie die Stute vorsichtig durch das Unterholz um das Hindernis herumlenkte. Das bewundernswert ausdauernde Tier war nun schon den ganzen Tag in Bewegung und alles andere als ausgeruht. Sie wollte nicht riskieren, dass es sich bei einem Sprung verletzte.
    Sie hatte noch nicht einmal die Hälfte des Wegs zurückgelegt, als sie in der Ferne donnernden Hufschlag hörte. Ajana zügelte ihr Pferd und lauschte.
    Reiter! Und sie kamen rasch näher.
    Ihr Herz raste. Auf keinen Fall wollte sie gesehen werden! Nicht hier, nicht jetzt und schon gar nicht von jemandem, der sie kannte. Hastig sah sie sich nach einem Versteck um. Der Wald ringsumher war kahl und bot kaum Deckung. Sie fluchte leise. Gerade an dieser Stelle gab es nur wenige Nadelbäume. Da entdeckte sie weit im Dickicht eine Gruppe immergrüner Blattgewächse, die geeignet schienen, sie und ihr Pferd vor ungewollten Blicken zu schützen.
    Der Hufschlag wurde lauter. Zum Überlegen blieb keine Zeit. Mit einer scharfen Wendung lenkte sie die Stute mitten in das Unterholz hinein. Der Hufschlag kam immer näher. Nur eine Wegbiegung trennte die herannahenden Reiter noch davon, sie zu entdecken. Ajana kämpfte verbissen mit den niedrig hängenden Ästen, die sich in ihren Haaren verfingen, während die Stute immer wieder über Wurzelwerk oder dornige Ranken am Boden stolperte.
    In ihrer Verzweiflung saß Ajana ab und zerrte die Stute die letzten Meter am Zügel hinter sich her in Deckung. Keinen Augenblick zu früh! Kaum, dass das Tier im Schatten der Büsche stand, preschte eine Gruppe von acht Reitern, aus Sanforan kommend, an ihr vorbei. Die Krieger schienen es eilig zu haben. Den Blick starr geradeaus gerichtet, machte sich keiner von ihnen die Mühe, einen Blick ins Unterholz zu werfen.
    Sicher sind sie auf dem Weg zum Pass, überlegte Ajana, die sich daran zu erinnern glaubte, auf dem Hofplatz in Sanforan eine Hand voll Krieger gesehen zu haben, die ihre Pferde sattelten.
    Der Gedanke beruhigte sie, dennoch wartete sie, bis der Hufschlag verklang, ehe sie ihr Pferd aus dem Versteck heraus und zurück auf den Weg führte.
     
    Nachdem sie eine weitere Stunde geritten war, erreichte sie erneut den Waldrand. Vor ihr lag nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag die weite, grasbewachsene Hügellandschaft, über der sich das düstere Skelett des Ulvars in der Ferne erhob. Der Anblick des sterbenden Baums machte sie betroffen, schürte aber auch ihre Entschlossenheit, die gefährliche Reise nach Andaurien zu wagen. Sie schnalzte mit der Zunge und ließ die Stute antraben. Anders als noch am Vormittag blieb sie diesmal auf dem Weg und ritt in einem weiten Bogen an dem gespaltenen Baum vorbei. Als sich der Ulvars nur noch als dunkler Schattenriss vor den rot gefärbten Wolken am Abendhimmel abzeichnete, wandte sie sich ein letztes Mal um.
    Das Licht schwand rasch, und es wurde immer kälter. In der feuchten Luft bildete sich Nebel, der sich in den Mulden zwischen den Hügeln zu einem wogenden weißen Meer sammelte. Der Anblick hatte etwas Trauriges. Er weckte in Ajana ein Gefühl des Abschieds und machte ihr die Einsamkeit bewusst, die sie auf diesem Ritt begleitete.
    Kein Wunder, dachte sie bei sich. Ich bin in Nymath ja auch noch nie so lange allein gewesen – so weit entfernt von Sanforan, auf unbekanntem Gebiet und im Dunkeln. Der Gedanke war beängstigend und erinnerte sie schmerzlich an den Augenblick, da sie zum ersten Mal die Sterne über Nymath erblickt hatte, allein, unwissend und wehrlos. Die Bilder des zerstörten Lemrik kamen

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