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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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habe sich der Reisende eine Decke um die Schultern geschlungen.
    Ist er wirklich allein? Ajana konnte sich nur schwerlich vorstellen, dass keine Kameraden in der Nähe sein sollten. Vielleicht schlafen sie auf der anderen Seite des Feuers, schloss sie und entschied, noch etwas näher heranzuschleichen, ehe sie eine Entscheidung fällte.
    Kaum zwanzig Meter trennten sie noch von dem Lagerfeuer, als Musik ertönte. Sanfte, melancholische Flötenklänge erfüllten die Nebel, rührten Ajanas Herz und hüllten ihr Misstrauen in einen wohlklingenden Mantel. Wo Musik war, wo solch eine wunderbare Melodie gespielt wurde, da konnte es keine Gefahr geben.
    Gebannt von den wundersamen Klängen, bewegte sie sich langsam auf das Feuer zu. Die herzbewegenden Töne gaben ihr das Gefühl, willkommen zu sein. Lieblich lockend streichelten sie ihre wunde Seele und forderten sie auf, näher zu treten. Für den Bruchteil eines Augenblicks gewann die Vernunft noch einmal die Oberhand, und sie ermahnte sich selbst, nicht so unachtsam zu sein, doch die Melodie war so schön und so traurig zugleich – wie ein Spiegel ihrer Seele. Sie konnte sich dem Zauber nicht entziehen, den die Flötenklänge um sie woben.
    Ein Zweig brach knackend unter den Sohlen ihrer Stiefel.
    Die Musik verstummte.
    »Ich wusste gar nicht, dass ich Zuhörer habe!« Die Gestalt am Feuer sprach, ohne sich umzublicken.
    »Entschuldigt.« Ajana rang um Worte. Die Lage war ihr zutiefst unangenehm, und die Angst, den einsamen Reisenden verärgert zu haben, ließ ihr Herz pochen. »Das war wunderschön«, sagte sie aufrichtig und wollte noch etwas hinzufügen, als sich die Gestalt ganz unvermittelt umwandte …
     
     

    ***
     
    Mit angewinkelten Knien kauerte Yenu an der Wand. Ihre Augen hatten sich längst an das Dunkel gewöhnt, und dennoch war es ihr unmöglich, die gegenüberliegende Wand der Hütte zu erkennen.
    Die fensterlosen Wände schlossen das Licht von Mond und Sternen aus. Sie war allein, obwohl die Welt ringsumher von überbordendem Leben erfüllt war. Anders als das Licht, drangen die vertrauten Geräusche des nächtlichen Dschungels bis in ihr Gefängnis vor – der schrille Schrei des Nachtaras, das Zirpen von Insekten, Scharren und Schnüffeln, Rascheln und Fauchen. Eine unsichtbare, freie Welt, so nah und doch unerreichbar.
    Freiheit! Yenu spürte, wie die Verzweiflung erneut nach ihr griff, und kämpfte gegen die aufkommenden Tränen an. Sie hatte alles gewagt und alles verloren. Ihr Leben war verwirkt.
    Der Nachtwind trug ihr den Geruch eines Lagerfeuers zu, Gesprächsfetzen, die sie nicht verstand, und Stimmen, die mal laut und erregt, mal leise und besonnen miteinander redeten.
    Sie streiten sich, dachte sie verzagt. Nicht darüber, ob ich sterben soll, sondern wie.
    Sie bewegte ihren verkrampften Körper und versuchte etwas Leben in die kühlen, tauben Hände zurückzubringen, die man ihr auf dem Rücken zusammengebunden hatte, machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben. Die Wand in ihrem Rücken gab ihr Halt und ein Gefühl der Sicherheit, und obwohl sie wusste, dass es trügerisch war, war es doch das Einzige, an das sie sich in diesem Gefängnis klammern konnte.
    Niemals zuvor hatte sie sich so einsam, so preisgegeben und ungeschützt gefühlt. Die Zukunft, die noch vor ein paar Sonnenaufgängen voller Möglichkeiten schien, war zu einem dunklen Nichts zusammengeschrumpft, ohne eine Funken Hoffnung und von Angst erfüllt.
    Die Zeit tröpfelte dahin.
    Die Geräusche des Dschungels wurden leiser und weicher, und Yenu beschlich das Gefühl, dass alles dort draußen mit ihr wartete und sie beobachtete. Welchen Tod würde man für die Verräterin wählen, die es gewagt hatte, das Leben der Krieger und einer Felis aus niederen und selbstsüchtigen Beweggründen aufs Spiel zu setzen?
    Würde man sie in den Fluss stoßen und zusehen, wie die Querlas sie zerfleischten, so wie es den Mördern und Verrätern erging?
    Oder würde man ihr die Qual ersparen und sie gnädig ertränken, so wie man es mit den Frauen hielt, die das Lager eines anderen Mannes geteilt hatten?
    Was immer die Männer am Feuer entschieden, am Ende stand unerbittlich der Tod. Yenu schlug das Herz bis zum Hals; sie hatte Angst.
     
    Als sie erwachte, war es still.
    Die Jäger der Nacht hatten ihre Streifzüge beendet, das Rascheln, und Schnüffeln war verstummt. Die Männer am Feuer hatten sich zur Ruhe begeben, und auch der Nachtara rief nicht mehr.
    Es war jene Ruhe, die vom Ende

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