Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
schließlich inne gehalten, und Faizah hatte sich eilig hinter einem der Bactibüsche versteckt, die hier in dichten Gruppen wuchsen.
Nicht nah genug, um zu hören, was weiter unten gesprochen wurde, beobachtete sie, wie der junge Falkner seinen Falken mit einer Botschaft aufsteigen ließ. Mit raschem Flügelschlag flog er nach Westen davon und war vor dem tristen Grau des Himmels schon bald nicht mehr zu sehen. Es folgte eine kurze Zeit des Wartens, dann stießen zwei Wegfinder der Vaughn zu der Gruppe. Faizah erkannte sie an dem schlangenförmigen Hautschmuck, der sich um ihre entblößten Oberarme wand.
Ein singender Laut ertönte. Faizah zuckte erschrocken zusammen. Über ihre Beobachtungen hatte sie das Lavinci völlig vergessen, das auf ihrer Schulter hockte. Oona hatte es als verwaisten Nestling im Wald gefunden und großgezogen, doch aus irgendeinem Grund schien das fingergroße Baumhörnchen Gefallen an Faizah gefunden zu haben und wich inzwischen nicht mehr von ihrer Seite. Oona hatte es wohlwollend zur Kenntnis genommen. La, so hatte sie gesagt, sei frei und könne gehen, wohin es ihm beliebe. Faizah hingegen hatte sich rasch mit dem putzigen kleinen Nager, der wie ein kleines Pelzknäuel aussah, angefreundet und ihn ins Herz geschlossen.
In einem offenen Lederbeutel an langen Schulterriemen begleitete La sie fast überall hin. Jetzt aber drohte es die anderen auf sie aufmerksam zu machen.
»Scht!« Faizah blickte das Baumhörnchen aus dem Augenwinkel streng an und legte mahnend den Finger auf die Lippen. »Sei still, du verrätst uns noch.« Dann reckte sie den Kopf und spähte erneut über die Äste des Bactibusches hinweg zur Lichtung.
Dort begrüßte Ylva gerade die beiden Wegfinder, und Faizah verwünschte erneut ihr entlegenes Versteck, wo ihr das Gespräch entging. So blieb ihr wieder nichts anderes übrig, als Vermutungen anzustellen und zu warten.
Wenig später stießen auch Ajana und nach ihr die junge Wunand zu der Gruppe. Der Aufbruch schien nahe. Faizah machte sich bereit. Sie war fest entschlossen zu erfahren, wohin die Vaughn die Fremden führten. Vorsichtig nahm sie das kleine Lavinci von der Schulter und setzte es zurück in den Lederbeutel. Kaum hatte sie das getan, da hörte sie plötzlich jemanden rufen und sah, wie Oona in Begleitung dreier Uzoma-Stammesfürsten zu den Versammelten trat.
Faizah erstarrte. Ihr stockte der Atem, und ihr Herz raste. Der überraschende Anblick der federgeschmückten Häupter weckte schreckliche Erinnerungen in ihr … Erinnerungen an ein anderes Leben, das sie verdrängt, aber weder vergessen noch verwunden hatte. Erinnerungen an das Leben im Lager der Kurvasa und an die entwürdigenden Pflichten, die jungen Mädchen dort auferlegt wurden. Faizah erzitterte bei dem Gedanken daran, was es für eine junge und hübsche Kurvasa bedeutete, wenn ein Stammesfürst das Lager mit seinem Gefolge aufsuchte. Verbissen kämpfte sie gegen die Flut von Bildern an, die angesichts des verhassten Kopfputzes auf sie einstürmten. Doch die Wunden der Vergangenheit saßen zu tief, als dass sie hätte vergessen können. Es schien, als habe der unverhoffte Anblick der Uzoma eine Mauer eingerissen, die sie zu ihrem eigenen Schutz um ihre Erinnerungen errichtet hatte. In schrecklichen, fast albtraumhaften Bildern zog das Leben, das sie so gern vergessen wollte, in wirren Zerrbildern an ihrem geistigen Auge vorbei. Bilder geschändeter Körper und grenzenloser Demütigung. Qualvolle und grausame Erinnerungen voller stummer Schreie und obszöner Geräusche, die ihren Hass auf das eigene Volk erneut entfachten und einen ungestillten Rachedurst in ihr schürten.
Faizah biss die Zähne zusammen und versuchte an etwas anderes zu denken. Doch die Gedanken gehorchten ihr nicht. Es kam ihr so vor, als wären sie wie durch einen bösen Zauber von selbst zum Leben erwacht und machten sich nun einen Spaß daraus, sie zu quälen. Sie zitterte am ganzen Leib und ballte in hilflosem Zorn die Fäuste.
Wie von selbst fand das kleine Messer, das sie am Gürtel trug, den Weg in ihre Hand. Ihre Finger schlossen sich so fest darum, dass die Knöchel weiß hervortraten und die Nägel tief in ihr eigenes Fleisch schnitten. Blut quoll aus den feinen Schnitten, doch Faizah verspürte keinen Schmerz. Zu sehr war sie von unbändigem Zorn auf die Stammesfürsten und wilder Mordlust erfüllt, die sie in heißen, hasserfüllten Wogen dazu bewegen wollte, hinunterzulaufen und einem der Stammesfürsten
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