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Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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auf die Brücke hinaus getreten. Ein Gefühl der Dringlichkeit, das auch Faizah erfasst hatte, trieb sie voran, denn die Sonne war bereits untergegangen, und das Licht schwand immer schneller. Dennoch verging eine schier endlose Zeit des Bangens, in der auch die Mutigsten unter ihnen der Furcht Tribut zollten, ehe endlich alle wohlbehalten die andere Seite erreichten.
    Alle bis auf die Elbin.
    Faizah sah Inahwen bewundernd nach, die die Brücke zur Hälfte überquert hatte. Die hoch gewachsene Elbin bewegte sich trotz der eingekehrten Dunkelheit geschickt und leichtfüßig über die Schlucht. Obwohl sie schon fast am Ziel war, schwankte die Hängebrücke nicht eine Handbreit hin und her. Selbst die faserigen Seile, die sich vor allem bei den Heermeistern mit ihren schweren Rüstungen knarrend gespannt hatten, verhielten sich bei ihr so ruhig und unbeansprucht, als sei sie leicht wie eine Feder.
    Faizah wünschte sich, ebenso geschickt und mutig zu sein. Aber sie wusste, dass es ein Wunsch bleiben würde. Allein der Gedanke, die Brücke aus drei Seilen schon bald überqueren zu müssen, trieb ihr den Angstschweiß auf die Stirn. Von ihrem Versteck aus konnte sie nicht erkennen, wie tief die Schlucht tatsächlich war, doch es spielte im Grunde auch keine Rolle, ob es zehn Mannslängen waren oder fünfzig. Als Kind der Wüste war ihr die Furcht vor der Höhe in die Wiege gelegt worden – eine Befangenheit, die sie nicht überwinden konnte.
    Nach ihrer Flucht aus dem Lager nahe dem Wehlfang-Graben hatte sie gehofft, niemals wieder auch nur in die Nähe ähnlich tiefer Schluchten zu gelangen. Doch nun …
    Faizah schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Da sie keine Götter kannte, die Gebete einer Kurvasa erhören würden, sandte sie in Gedanken ein paar flehende Worte an die Große Mutter, die nach dem Glauben der Vaughn alles erschaffen hatte, und bat sie inbrünstig darum, ihr die nötige Kraft für die bevorstehende Prüfung zu verleihen.
    Als sie die Augen wieder öffnete, hatte die Elbin die andere Seite der Schlucht sicher erreicht. In der Dämmerung waren sie und die Angehörigen der Vereinigten Stämme nur noch schwer auszumachen, und Faizah wurde klar, dass sie keine Zeit mehr verlieren durfte. Obwohl sie den Fremden schon seit dem Morgen folgte und sie nicht aus den Augen ließ, hatte sie nicht herausfinden können, wohin sie wollten. Wenn sie jetzt Schwäche zeigte und zurückfiel, würde sie die beiden Gruppen gänzlich aus den Augen verlieren, und dann wäre alle Mühe vergebens gewesen.
    Mit einem raschen Blick vergewisserte sich die junge Uzoma, dass die Fremden weitergezogen waren und sie die Hängebrücke von ihrem Versteck aus unbemerkt erreichen konnte. Dann lief sie los.
    Unmittelbar vor dem Abgrund blieb sie stehen und schaute in die Tiefe, wo in der kühlen Luft des Abends wogende Nebel aus dem Tal aufstiegen, die den Grund vor ihren Blicken verhüllten.
    So tief! Faizah erstarrte. Furcht stieg in ihr auf, mächtig und zerstörerisch wie eine dunkle Flut, die alle Vernunft hinfortspülte.
    Komm!, schienen ihr die Nebel über dem Abgrund zuzuraunen. Komm zu uns!
    Ein heftiger Schwindel erfasste sie, und sie hatte das Gefühl, von einem Sog nach unten gezogen zu werden. Erschrocken wich sie ein paar Schritte zurück. Ihr Herz hämmerte wie wild, und sie atmete heftig. Sie konnte die Schlucht nicht überqueren! Niemals! Es hatte keinen Sinn. Sie musste die Verfolgung aufgeben und zu den Vaughn zurückkehren.
    Aufgeben! Wie sehr Faizah dieses Wort verachtete. Sie hatte noch niemals aufgegeben – weder ihre Ziele noch sich selbst!
    Hätte sie sich im Lager aufgegeben, wäre sie in den Fluten des Wehlfangs verglüht, so wie die vielen anderen, die diesen Ausweg gewählt hatten, um ihrem elenden Dasein ein Ende zu bereiten. Hätte sie ihre Fluchtpläne aufgegeben, wäre sie vermutlich unter grausamster Folter gestorben.
    Wenn sie jetzt aufgäbe, würde sie den Hass, der wie ein wildes Tier tief in ihr schlummerte, niemals stillen können. Sie würde niemals Ruhe finden und sich niemals für das rächen können, was die Stammesfürsten ihrem kindlichen Körper in langen qualvollen Nächten angetan hatten. Faizah ächzte und ballte die Fäuste.
    Mit dem Gedanken an die schreckliche Zeit im Lager der Kurvasa kehrten auch die Erinnerungen zurück, die sie so nachdrücklich zu verdrängen versuchte. Erinnerungen an glühende Kohlebecken in prachtvollen Zelten, an wollüstig verzerrte Gesichter und

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