Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
Klarheit zu erlangen war alles nur noch unerträglicher geworden.
Eine Weile noch starrte sie auf den fernen Feuerschein, dann fasste sie einen Entschluss. Da sie nun schon einmal hier war, konnte auch sie etwas für ihr Land tun. Wenngleich sie alt und zu schwerfällig war, um mit den Kriegern gegen die Feuer anzukämpfen, so konnte sie doch dafür sorgen, dass den tapferen Männern die Kräfte erhalten blieben.
Noch ehe die Sonne morgen ihren höchsten Stand erreichte, wollte sie sich mit einigen Bediensteten aus der Küche, mit Vorräten und den nötigen Gerätschaften auf den Weg zu den Brandherden machen. Eine kräftigende Mahlzeit hatte schließlich noch keinem geschadet.
Kelda atmete tief durch. Zum ersten Mal, seit sie die Festung erreicht hatte, verspürte sie wieder den gewohnten Tatendrang, der sie schon in der Herdküche der Bastei erfüllt hatte, und sie entsann sich, was sie den jungen, einfältigen Mägden oft predigte, wenn diese dem Liebeskummer verfielen: »Es ist sinnlos, sich vor Kummer die Augen auszuweinen, denn Blindheit löst deine Probleme auch nicht.«
Entschlossen riss sie sich von dem Anblick der Feuer los und machte sich auf den Weg zu ihrer kalten, dunklen Schlafstatt, um noch ein wenig zu ruhen. Sobald es hell wurde, gab es viel zu tun. Vermutlich würde nicht jeder von ihrem Ansinnen begeistert sein, doch wer glaubte, sie aufhalten zu können, kannte die stämmige Kataurin schlecht. Endlich hatte sie wieder eine Aufgabe, ein Ziel vor Augen. Und wenn Kelda sich einmal etwas vorgenommen hatte, dann konnte sie niemand davon abhalten.
»Wer bist du, und wie kommst du hierher?« Mit einem groben Ruck riss Bayard Faizah in die Höhe und zwang sie, ihn anzusehen.
Faizah biss die Zähne zusammen, blickte zu Boden und schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Der Heermeister hatte sie bei dem Versuch überwältigt, einen der Stammesfürsten hinterhältig zu ermorden. Dem gab es nichts hinzuzufügen.
»Blut und Feuer!« Der erste Stammesfürst hatte den Schrecken überwunden. Mit wütender Miene kam er auf Faizah zu und legte ihr grob die Hand unter das Kinn. Die andere Hand wie zum Schlag erhoben, bog er ihren Kopf so weit nach hinten, dass sie ihn ansehen musste. »Rede!«, befahl er ihr barsch.
Faizah gab einen fauchenden Laut von sich und spuckte ihm mitten ins Gesicht. »Fass mich nicht an!«, zischte sie den Stammesfürsten voller Hass an, der vor Entsetzen und Abscheu zurückwich. »Fass mich nie wieder an!«
Doch der Uzoma ließ sich nicht beirren. Mit flammender Wut im Blick, trat er erneut auf Faizah zu, packte sie brutal bei den Haaren und sagte gefährlich ruhig: »Du elendes Weib wagst es, die Ehre eines Stammesfürsten zu beflecken? Du …«
»Ja, ich wage es«, fiel ihm Faizah mit zornbebender Stimme ins Wort. Ungeachtet des reißenden Schmerzes wand sie sich unter dem unbarmherzigen Griff. »Wäre ich von diesem rotbärtigen Ungläubigen nicht davon abgehalten worden, hätte ich dich und die anderen längst zu euren Ahnen geschickt!«, stieß sie hasserfüllt hervor. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen, doch sie sprach unbeirrt weiter. »Ja, das hätte ich getan. Und ich hätte nicht gezögert …«
»Faizah?« Unglaube und Verwunderung lagen in Ajanas Stimme, die sich der Gruppe in Begleitung von Inahwen, Keelin, Maylea und den beiden anderen Heermeistern genähert hatte. Fassungslos hob sie die Korblampe, die sie mit sich führte, in die Höhe, um das Gesicht der jungen Uzoma besser erkennen zu können. »Faizah!«, sagte sie noch einmal, doch diesmal war es mehr eine Feststellung als eine Frage. »Was, um alles in der Welt, tust du hier?«
Faizah war nicht bereit zu antworten, doch diesmal tat Maylea es an ihrer statt.
»Was sie hier wollte?«, wiederholte die Wunandamazone die Frage spöttisch und beantwortete sie gleich selbst. »Was für eine törichte Frage. Sie wollte uns dieses elende Lagarengeschmeiß vom Hals schaffen.« Sie warf den Stammesfürsten einen unverhohlen feindlichen Blick zu. »Und wenn ihr meine Meinung hören wollt, sollten wie ihr dafür dankbar sein. Emo allein weiß, warum Bayard sie aufgehalten hat. Sie hätte uns eine Menge Ärger erspart. Also lasst sie los. Es gibt keinen Grund, so grob mit ihr umzugehen, nur weil sie den Mut dazu hatte, etwas zu tun, dessen ihr alle nicht fähig seid.«
»Maylea!« Strenger Tadel und Empörung schwangen in Inahwens Stimme mit. »Wir gaben Ylva unser Wort, die Waffen ruhen zu
Weitere Kostenlose Bücher