Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
Vom Netzwerk:
den Abgrund wagte, noch da die Wolken vom Grund der Schlucht aufstiegen und sie in einen kühlen Nebel hüllten. Unbeirrt schritt sie voran. Immer geradeaus, auf einem unsichtbaren Pfad, der für Sterbliche nicht zu beschreiten war, dessen Verlauf sie aber dennoch mit traumwandlerischer Sicherheit fand.
    Es war eine Reise in die Vergangenheit, in eine Zeit, die weiter zurücklag als die Silbermonde, in denen sie mit den Vereinigten Stämmen durch die große Wüste geflohen war, und weiter noch als die Winter davor, die sie in Andaurien gelebt hatte. Verschüttete Erinnerungen wurden wach, die sich hier und jetzt am Ende der Welt vor ihr auftaten und ihr eine Vergangenheit vor Augen hielten, derer sie sich niemals erinnert und die sie längst verloren geglaubt hatte.
    Als habe der Schritt über den Abgrund ein Siegel gebrochen, kehrten die Erinnerungen zurück. Bruchstückhaft und verwirrend krochen sie aus den Tiefen ihres Bewusstseins empor, wie unter einem dunklen Tuch, das langsam fortgezogen wurde.
    Asza! Das Wort stricht durch ihre Gedanken. Sie spürte, dass es von großer Bedeutung war, doch der Zusammenhang erschloss sich ihr nicht.
    All das war nur ein winziger Bruchteil der Fülle von Erinnerungen, die sich plötzlich vor ihr auftaten. Mit jedem neuen Schritt, den sie den unsichtbaren Pfad entlangging, gab ihr Bewusstsein etwas mehr von dem preis, was es viele lange Winter unter dem Mantel des Vergessens verborgen hatte.
    Bilder und Empfindungen, die die Magun einst ihr Eigen genannt hatte, fügten sich allmählich zu einem Ganzen und enthüllten ihr schließlich die ganze Wahrheit dessen, wonach sie die ganze Zeit vergeblich gesucht hatte – ihre Vergangenheit, ihre Herkunft und ihre Heimat.
    Da war ein fernes Land unter einer großen, roten Sonne. Ein endloses Meer brandete an einen rötlichen Strand, auf dem zwei Gestalten eng umschlungen im Sand lagen. Wie eine berauschende Woge schlug der Magun das Gefühl der großen Liebe entgegen, die die beiden miteinander verband. Aber da war auch der Hauch des Verbotenen, der die Liebenden umgab. Sie hörte die junge Frau lachen, und als sie aufblickte, erkannte sie ihr eigenes Antlitz, so jung und schön, wie es vor langer Zeit einmal gewesen sein mochte.
    Die nächste Erinnerung jedoch war von Zorn und großer Bitternis erfüllt.
    Diesmal stand sie in einer gewaltigen lichterfüllten Halle, die von großer Macht und Reichtum kündete. Vor ihr schritt eine schöne Frau in knappem, aber aufwändig gearbeitetem Gewand auf und ab. Ihr hehres Antlitz war von Entrüstung und Unmut gezeichnet, und ihre Hände fuhren ausdrucksstark durch die Luft, während sie sprach.
    Mutter! Der Gedanke kam ihr so unvermittelt, dass die Magun erschrocken innehielt. Ich habe eine Mutter. Nach all den Wintern ohne Vergangenheit traf sie diese Erkenntnis schwer, doch lag auch Glück darin und etwas, das ihr Gefühl von Heimkehr weiter vertiefte.
    Die Szene aber war von Streit und Unversöhnlichkeit geprägt. Selbst über die vielen Winter hinweg spürte die Magun die Hitze der Wut, die damals in ihr gelodert hatte, und sie erinnerte sich wieder, warum sie einst so zornig gewesen war: Ihre Mutter hatte ihr den Umgang mit ihrer großen Liebe – einem Sterblichen – untersagt!
    Sie erinnerte sich der Worte, die damals gesprochen wurden, als sei es gestern gewesen. Verletzende Worte waren es gewesen, die den Streit immer weiter entfacht hatten. Sie hatte sich uneinsichtig gezeigt, und auch ihre Mutter hatte nicht nachgegeben. Der Streit hatte höhere Wogen geschlagen. Sie selbst war sehr zornig und erregt gewesen und den Worten ihrer Mutter mit allem Trotz und aller Uneinsichtigkeit begegnet, die der Jugend zu Eigen ist. Am Ende hatte sie gar starrköpfig daran festgehalten, mit ihrem Leben zu brechen und ihre ganze Zukunft dieser einmaligen Liebe zu opfern.
    Vor den Mahnungen ihrer Mutter hatte sie die Ohren verschlossen und voller Zorn ihr und der Welt, die ihre Heimat war, den Rücken zugekehrt, um ein letztes – ein endgültiges – Mal durch die Nebel zu dem Mann zu gehen, nach dem sich ihr Herz so sehnte. Doch sie hatte ihn niemals mehr erreicht. Statt in der fremden Welt unter der großen roten Sonne, hatte sie sich in Andaurien wieder gefunden – als eine schöne junge Frau, Opfer der mütterlichen Allmacht, ohne Erinnerungen und Vergangenheit, die nichts über die verlorene Liebe wusste und die nicht ahnen konnte, wie lange ihr Leben dauern würde.
    Angesichts der erlittenen

Weitere Kostenlose Bücher