Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
mir?« Ajana schoss die Röte ins Gesicht.
Warum ich? Was soll ich dort? Dutzende von Gegenfragen und möglichen Antworten kamen ihr in den Sinn, doch es war keine darunter, die die Magun von ihr erwartete.
Du bist eben doch nur ein gewöhnlicher Mensch und keine Heldin , meldete sich ihre innere Stimme in diesem Augenblick gehässig zu Wort. Du denkst nur an dich und deinen eigenen Vorteil, weil du es nicht erwarten kannst, wieder nach Hause zurückzukehren!
Das ist nicht wahr! Entrüstet brachte Ajana die innere Stimme zum Schweigen. Die neuerliche Bedrohung Nymaths machte auch sie betroffen, doch sie war keine Kriegerin und hatte keine Ahnung, wie ausgerechnet sie den anderen beistehen sollte. Zudem – das gestand sie sich unumwunden ein – verspürte sie Angst. Große Angst. Ein neuerliches Abenteuer barg auch neue Gefahren. Sie war der Heimkehr so nahe, doch wenn sie die anderen begleitete …
In diesem Punkt hatte ihre innere Stimme Recht. Sie sehnte sich nach ihrer Heimat und ihrer Familie, seit sie den ersten Schritt auf dem Boden Nymaths getan hatte. Nicht nur, aber auch um einer raschen Heimkehr willen hatte sie sich in ihr Schicksal gefügt und ihre Aufgabe erfüllt. Und jetzt war sie der Rückkehr so nah … so nah …
Ajana kämpfte die aufkommenden Tränen nieder, riss sich zusammen und erwiderte den forschenden Blick der Magun in der Hoffnung, dass diese nichts von ihrer inneren Zerrissenheit spürte. »Nun, ich … ich bin keine Kriegerin«, wagte sie den Versuch einer entschuldigenden Antwort, in der kein verräterisches Heimweh mitschwang. »Ginge ich mit, würde ich den anderen gewiss nur zur Last fallen und ihnen keinen großen Nutzen …«
»Du irrst«, unterbrach sie die Magun. »Du wärest ihnen eine Hilfe von unschätzbarem Wert. Begleitest du sie, könnte wertvolle Zeit gewonnen werden.«
»Aber wie könnte ich helfen?«, fragte Ajana. »Ich kann weder kämpfen noch Fährten lesen. Das Land ist mir noch so fremd, und ich …«
»Bedenke, welch bedeutendes Erbe du mit dir führst«, versuchte die Magun sie zu überzeugen. »Und erinnere dich daran, was ich dir damals im Wald über die Geschichte des Runenamuletts erzählt habe: Die eine Mondsteinhälfte fügte Gaelithil in das Amulett, die andere aber in das knorrige Ende ihres langen Stabs aus geweihtem Wurzelholz, aus dem es wie das Auge eines Zyklopen hervorschaut. Sie wusste, dass zwischen den beiden Steinhälften stets eine mächtige Verbindung bestehen würde, die jede Veränderung des einen Teils auf den anderen übertrüge .«
»Die Magun glaubt, dass Vhara im Besitz der anderen Mondsteinhälfte ist«, fügte Inahwen erläuternd hinzu, ehe Ajana antworten konnte.
»Ich glaube es nicht nur, ich weiß es!« Die Magun seufzte. Ihre Stimme klang erschöpft. Das viele Reden schien sie zu ermüden. Sie nahm noch einen Schluck Wasser und sagte dann: »Wie sonst wohl hätte sie Ajana und die anderen so schnell in der Arnad-Ebene aufspüren können? Wie sonst wohl hätte sie ihre Tempelgarde so gezielt aussenden können, um das Weben der Nebel im letzten Augenblick zu verhindern? Auf eine Weise, die uns verborgen ist, muss sie das Wissen erlangt haben, die Magie des Steins für sich zu nutzen.
Der geteilte Stein gab ihr nicht nur die Möglichkeit, den Hüter des Amuletts in der fremden Welt heimlich zu beobachten. Durch sein Wirken erfuhr sie auch von den Erben elbischen Blutes und konnte sie vernichten, ehe sie ihr Erbe antreten konnten. Alle – bis auf Ajana.
Doch wie einst den Elben zeigte der geteilte Mondstein es auch ihr an, als Ajana den Weg nach Nymath fand. Durch die enge Verbindung zwischen den beiden Steinhälften ist sie mühelos dazu in der Lage, selbst über die Grenzen der Welten hinweg den Aufenthaltsort des Amuletts zu bestimmen.« Die Magun verstummte und sah Ajana tief in die Augen. »Du hast die Nebel gewoben und wähnst dich in Sicherheit«, sagte sie düster. »Doch der Schein trügt. Es betrübt mich, es dir sagen zu müssen, doch du bist noch immer in großer Gefahr. Wenn Vhara um das Geheimnis der Nebel weiß – und daran hege ich keinen Zweifel –, wird sie alles daran setzen, dich zu töten, um die magischen Nebel endgültig zu vernichten. Ich spüre und verstehe deine Sehnsucht danach, wieder in deine Welt zurückzukehren, doch wisse, dass du dort niemals sicher sein wirst, solange der Stab mit der anderen Mondsteinhälfte im Besitz der finsteren Mächte ist.«
»Das … das habe ich nicht
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