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Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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die Nebelwesen hatte er nicht nur das Erbeben der Macht gespürt, sondern auch den Ruf vernommen, der ihn schon seit vielen hundert Wintern nicht mehr ereilt hatte und dem zu folgen er sich sogleich auf den Weg gemacht hatte. Eile tat Not, das spürte er. Jener Eine, der das Land knechtete, war ihm dicht auf den Fersen und trachtete ihm nach dem Leben. Mit List und großem Geschick war er seinen Angriffen bisher entgangen, doch was dort oben vor sich ging, konnte auch ihm nicht verborgen bleiben.
    Aufmerksam huschten seine Blicke über die nebelverhangene Dunkelheit zu beiden Seiten des Wegs. Er spürte die Erregung der Körperlosen, die sich darin drängten, und fühlte wie schon so oft die Kälte auf der Haut, als sich durchscheinende Gespinste wie Arme aus den Nebeln hervorreckten, um ihn zu berühren.
    Das verlangende Gebaren der Körperlosen war dem Wanderer wohl vertraut. Gefasst setzte er einen Fuß vor den anderen, schaute weder nach links noch nach rechts und ließ die feuchten, eisigen Finger unbeachtet, die sich ihm sehnsuchtsvoll entgegenreckten. Kaum mehr eine halbe Pfeilschussweite trennte ihn von seinem Ziel, und diesmal, davon war er überzeugt, würde er dort oben keine verlassene Halle vorfinden.
    Er hatte die Grenze, die zu überschreiten den Nebeln versagt war, fast erreicht, als er plötzlich eine Veränderung in der Sphäre wahrnahm. Es war nichts, das er hätte benennen können, nichts, das sich ihm sogleich offenbart hätte. Es war nur mehr die Ahnung einer Veränderung, die seine empfindsamen Sinne streifte und ihn innehalten ließ. Beunruhigt sah er sich um, doch die wallenden Nebel hatten die Gasse zum Fluss bereits wieder geschlossen und gaben nichts von dem preis, was sich in ihnen verbarg.
    Hinauf, rasch! Etwas zupfte warnend an seinem Innern, und er setzte den Weg trotz der leisen Verunsicherung fort. Die Nebelgespinste griffen weiter nach ihm. Nässelnd und tastend strichen sie ihm über das Gesicht und umschlangen seinen Körper mit langen, dünnen Zungen. Es waren viele. Viel mehr noch als bei seinen vorangegangenen Besuchen. Fast unmerklich hatte sich die Anzahl der feinen Gespinste vervielfacht, und immer noch kamen neue hinzu. Dabei wurden die sinnlichen Berührungen immer seltener, während sich im Gegenzug mehr und mehr feine Nebelzungen wie ätherische Schlangen um seinen Körper wanden.
    … immer mehr …
    … wie ätherische Schlangen …
    Lauf!
    Im selben Augenblick, da die innere Stimme in ihm aufkreischte, erkannte der Wanderer die Gefahr. Er hatte sich getäuscht. Die Bedrohung lauerte nicht jenseits der Nebel, die Gespinste selbst waren es, vor denen er sich hüten musste. Es waren nicht mehr die harmlosen Nebel der Körperlosen, die den Berg seit Anbeginn der Zeit umhüllten. Es war ein Gewölk voller Bosheit und …
    Der Wanderer gestattete es sich nicht, den Gedanken zu Ende zu führen. Kaum mehr sieben Schritte trennten ihn noch von der unsichtbaren Barriere, hinter der die Nebel zurückbleiben würden.
    Ein machtvoller, fast zorniger Laut entfloh seinen Lippen, während er sich straffte und mit den Armen die fadenscheinigen Bänder durchtrennte, die ihn umschlangen.
    Noch während er das tat, lief er los. Doch seine Hoffnung, die magische Grenze zu überschreiten, erfüllte sich nicht.
    Für Bruchteile eines Augenblicks fühlte er sich befreit, doch gleich darauf klammerten sich die schimmernden Gespinste schon wieder an ihm fest. Und diesmal waren sie nicht länger nur flüchtiger Dunst. Als hätten sie ihre Tarnung abgelegt, die ihnen den Anschein gewöhnlicher Nebel gab, schossen plötzlich Hunderte dünner Fäden blitzartig aus der Dunkelheit hervor und hüllten den Wanderer in einen eisigen weißen Kokon, aus dem es kein Entrinnen gab. Unfähig, sich zu bewegen, sank er wie die Beute einer Spinne zu Boden, wo er regungslos liegen blieb.
    »Ja, so begegnet man sich wieder.«
    Der Wanderer erkannte die zynische Stimme, noch bevor sich aus den Nebeln die Gestalt des jungen Mannes in den kunstvoll gearbeiteten Gewändern formte. Ohne Hast trat er auf den Wanderer zu und blickte voller Hochmut auf ihn herab. »Ich habe es dir doch prophezeit«, bemerkte er siegesgewiss und stieß den Kokon verächtlich mit dem Fuß an. »Du kannst mich nicht aufhalten.«
    »Du!« Nur mühsam gelang es dem Wanderer, dieses eine Wort zu formen, doch der Hass, der darin mitschwang, war nicht zu überhören. Er wollte noch etwas hinzufügen, aber die Worte drangen nur kläglich durch

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